«Ich empfinde Reue», sagt der ehemalige russische Offizier Konstantin Jefremow (33). «Aber ich konnte nicht helfen, sonst hätten sie mich gefangen gehalten.»
Jefremow ist zu Beginn des Ukraine-Krieges in den Süden des Landes einmarschiert, kämpfte an der Front. Doch dann ergriff er die Flucht. Er hatte genug vom Krieg. Vom Tod. Vom Töten. Laut der Menschenrechtsorganisation Gulagu.net ist er der erste Offizier, der schwere Vorwürfe gegen Kameraden und Kommandanten erhebt – er wirft ihnen unter anderem Folter nicht nur an Soldaten, sondern auch an Zivilisten vor, und zwar im Gebiet Saporischschja, wie das Nachrichtenmagazin «Spiegel» schreibt.
Konstantin Jefremow schildert, er sei ins ukrainische Dorf Bilmak geschickt worden, um das provisorische Hauptquartier der 42. Division zu beschützen. Er berichtet unter anderem von drei ukrainischen Soldaten, die aus dem südwestlichen Mariupol geflohen und von der russischen Armee gefasst, anschliessend verhört und geschlagen worden seien. Rund zehn Tage lang, so Jefremow.
Zähne ausgeschlagen und Nase gebrochen
Einer der Soldaten, zirka Mitte 20, gab laut Jefremow zu, ein Scharfschütze zu sein. Oberst Schopaga (44), damals der stellvertretende Kommandant des russischen Militärbezirks Süd, soll ihm die Zähne ausgeschlagen und ihm die Nase mit Fusstritten gebrochen haben. Ausserdem habe er ihn systematisch erniedrigt, sogar mit Vergewaltigung hätte er gedroht, so Jefremow. Er habe gesagt: «Ich mache dich zum Mädchen.»
Zudem sei es zu Scheinhinrichtungen gekommen. Betrunken habe Schopaga mit einer Pistole herumgefuchtelt, schildert Jefremow. Dann hätte er abgedrückt und am Kopf des Gefangenen vorbei auf die Wand geschossen.
Jefremow spricht auch von einem Zivilisten um die 60 Jahre alt, den die russischen Soldaten beschuldigten, den Ukrainern Koordinaten übermittelt zu haben. Der Mann sei tagelang mit anderen in einer Garage festgehalten worden. Einmal habe ihm ein Soldat das Sturmgewehr in die Brust gerammt.
Windeln, Waschmaschinen und Kois
Manchmal hätten russische Soldaten in der Garage Gefangene wahllos geschlagen. Oberst Schupaga habe einen Ukrainer um die 45 Jahre alt persönlich zusammengeschlagen, der sich als Informant habe andienen wollen.
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Neben der Folter hätten die Russen auch geplündert. Und zwar alles, was sie in die Finger bekommen konnten. Nicht nur Schmuck und Geld, sondern auch unter anderem Windeln oder Waschmaschinen. Jefremow sagt, sie hätten Anwohnerinnen und Anwohner verprügelt, um ihnen die Autos abzunehmen.
Einmal hätten Soldaten zwei Toyota Land Cruiser 200 und einen Toyota Pick-up geklaut, ein «Z» darauf geklebt und seien damit Rennen gefahren. Andere hätte Kois aus einem Teich in einem Garten geholt und die Fische anschliessend gebraten. (tva)