Pelicot-Tochter Caroline Darian rechnet ab
«Ich weiss, dass mein Vater auch mich betäubt hat»

Der «Teufel von Avignon» – Dominique Pelicot – sitzt wegen abscheulicher Verbrechen im Gefängnis. Doch für seine Tochter ist das nicht genug: Sie fordert Gerechtigkeit, auch für die Opfer ohne Beweise.
Publiziert: 25.01.2025 um 20:11 Uhr
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In ihrem Buch «Und ich werde dich nie wieder Papa nennen», rechnet Caroline Darian mit ihrem Vater ab und sprach in einem Interview über ihren Erfahrungen.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Tochter des «Teufels von Avignon» rechnet mit ihrem Vater ab
  • Caroline Darian vermutet, selbst Opfer von Betäubung und Missbrauch geworden zu sein
  • 50 Männer zu Haftstrafen zwischen drei und zehn Jahren verurteilt
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Christina BenzRedaktorin News

«Von mir aus soll er im Gefängnis sterben», sagt Caroline Darian zum «Tages-Anzeiger» über ihren Vater Dominique Pelicot (72), der weltweit als der «Teufel von Avignon» bekannt ist und nun 20 Jahre im Gefängnis sitzt. Er hat seine Ex-Frau Gisèle Pelicot (72) fast zehn Jahre lang mit Medikamenten betäubt, sie missbraucht und von anderen Männern vergewaltigen lassen.

Aber auch Darian und die anderen Frauen der Familie blieben nicht verschont. In ihrem Buch «Und ich werde dich nie wieder Papa nennen», rechnet sie mit ihrem Vater ab.

Neben den abscheulichen Videos, die zeigen, wie ihre Mutter von wildfremden Männern vergewaltigt wird, wurden auch Fotos von Darian gefunden. Auf diesen sieht man die Tochter des Serienvergewaltigers in unnatürlichen Posen schlafen – die Unterwäsche, die sie trägt, kennt sie nicht. «Es steht für mich fest, dass er auch mich betäubt hat. Und das hat er bestimmt nicht nur getan, um Fotos zu machen.» Der Raum ist hell, normalerweise würde die Französin beim kleinsten Lichtstrahl aufwachen, sagt sie.

«Ich repräsentiere die Mehrheit der Opfer ‹chemischer Unterwerfung›»

Bei Darian gibt es im Gegensatz zu Gisèle Pelicot keine Videobeweise. «Ich repräsentiere die Mehrheit der Opfer ‹chemischer Unterwerfung›. Der Fall meiner Mutter spiegelt nicht den Normalfall.» Die Mehrheit der Opfer, denen heimlich eine Substanz verabreicht wird, haben keinen Beweis, weshalb es schwierig ist, die Täter zu bestrafen. «Das ist ein riesiges Problem. Für mich hat sich nichts geklärt, mir hat der Prozess nicht geholfen. Er hat mir nur gezeigt, dass ich als Opfer nicht zu meinem Recht komme.»

Ihr Vater habe nur zugegeben, was er nicht habe abstreiten können, erklärt Darian dem «Tages-Anzeiger» weiter. Sie ist überzeugt: Dominique Pelicot log und verheimlicht immer noch einige Details. «Wir wissen immer noch nicht, wann alles angefangen hat, kennen nicht die Namen aller Täter.» Und da es bei ihr keine handfesten Beweise gibt, «wurde mein Status als Opfer nicht anerkannt», so die Französin.

«Verzeihung, aber das ist absolut nicht genug»

Darians Mutter wurde durch den öffentlichen Prozess in Avignon zu einer feministischen Ikone. Die Familie entschied sich bewusst für die Öffentlichkeit, um anderen Opfern Mut zu machen. «Wenn all das dazu beiträgt, dass man Opfer sexueller Gewalt zukünftig ernster nimmt und sie selbst sich nicht dafür schämen, was ihnen angetan wurde, ist es nur gut», so Darian.

So sassen Gisèle Pelicot, ihre Tochter und ihre Söhne wochenlang mit den Vergewaltigern in einem engen Gerichtssaal. Darian erklärt: «Das ist übrigens eine zusätzliche Form von Gewalt, die Opfer erleben: dass sie die Täter einen ganzen Prozess lang erleben müssen.»

Doch damit nicht genug: In Frankreich beträgt die Höchststrafe für Vergewaltigung 15 Jahre, doch die 50 Männer wurden mehrheitlich zu Haftstrafen zwischen drei und zehn Jahren verurteilt. «Verzeihung, aber das ist absolut nicht genug. Das sind Männer, die wissentlich, die vorsätzlich eine bewusstlose Frau vergewaltigt haben.» 

«Das Vorgehen in dem Mord weist für mich auf Dominique hin»

Warum sich die Männer bei der Tat filmen liessen, ist nicht ganz klar, schliesslich waren die Aufnahmen ausschlaggebend für ihre Verurteilung. Aber Darian hat eine Vermutung: «Ich glaube, es gibt eine Art maskuline Dominanz. Sie sahen Dominique wohl als Autorität.» Auch hätten die Männer anscheinend geglaubt, es handle sich nicht um eine Straftat, weil das Opfer bewusstlos war. «Unbewusst scheint in diesen Männern der uralte Glaube verankert zu sein, dass eine Ehefrau ihrem Mann gehört.»

Der «Teufel von Avignon» sitzt jetzt hinter Gitter, doch es wird noch weitere Prozesse gegen den Franzosen geben. Einer wegen einer versuchten Vergewaltigung im Jahr 1999 und ein weiterer wegen eines Mordes aus dem Jahr 1991, mit dem er jetzt in Verbindung gebracht wird. Darian zweifelt nicht an der Mordfähigkeit ihres Vaters. «Das Vorgehen des Täters in diesem Mordfall weist für mich auf ihn hin.»

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