Der Sturz der Regierung in Myanmar war ein Putsch mit Ansage. Harry Antarakis (50), CEO der Ringier-Plattform MyJobs in Rangun, berichtet: «Schon am Freitag sind in der Hauptstadt Naypyidaw Armeefahrzeuge mit Soldaten aufgefahren. Es hiess, es handle sich um Testfahrten.»
Die Banken sind geschlossen, auch das Internet funktioniert nur noch halbwegs. «Hier in Rangun bilden sich vor Lebensmittelläden lange Kolonnen, bei Tankstellen gibt es Panikkäufe von Benzin», sagt Antarakis zu BLICK. Er selber wollte am Sonntagabend online ein Ticket kaufen, das aber nie ankam. «Offenbar wird die Kommunikation mit Absicht blockiert.»
Der gebürtige Grieche beobachtet, wie die Medien nur mit Vorsicht und Zurückhaltung über den Putsch berichten. Antarakis: «Sie müssen aufpassen, was sie schreiben.»
Will das Militär die USA testen?
In Rangun sei die Lage ruhig, Militär praktisch keines zu sehen. «Es liegt im Interesse der Armeeregierung, dass das Leben möglichst normal weiterläuft», glaubt Harry Antarakis. So sei auch er optimistisch, was sein Geschäft angehe. Zwar hätten im vergangenen Jahr rund 70 Prozent der Ausländer das Land verlassen, aber das sei wegen Corona gewesen.
Er stellt sich darauf ein, dass die Übergangsregierung wie angekündigt ein Jahr im Amt bleibe, bis Neuwahlen ausgerufen würden. «Wenn ausländische Regierungen wie etwa die USA Druck ausüben, wird es allerdings vielleicht auch etwas weniger lange dauern.»
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Warum findet der Putsch gerade jetzt statt? Er fällt auf den Tag, an dem die im Herbst gewählte Regierung eingesetzt werden sollte. Zudem könne die Machtübernahme auch ein Test für die neue US-Regierung sein, um auszuloten, wo deren Grenzen sind, meint Antarakis. Mit dem gleichen Ziel liess China schon vor einer Woche provokativ Kampfjets über Taiwan donnern.
Redaktion mit Sicherheitsplan
Als Chefredaktor der Ringier-Newsplattform Duwun in Rangun kennt Kyaw Ko Ko (31) die Gefahren für Medienschaffende. «Schon vor vier Wochen hatten wir fast jeden Tag Streiks, bei denen Journalisten von Armee-Supportern bedroht wurden», sagt er zu BLICK. Auch er kämpft mit Internetproblemen. «Heute Morgen ist das Telefonsystem ganz zusammengebrochen», sagt er.
Bei Duwun habe man einen Sicherheitsplan erarbeitet. Kyaw Ko Ko: «Wir sind sehr vorsichtig und unternehmen alles, um unsere Leute zu schützen.» Auch er meint: «Trotz Putsch müssen wir unsere Arbeit weiter verrichten wir immer.»
Regierungschefin in Haft
In Myanmar hatte das Militär in der Nacht zum Montag die Macht übernommen. Vertreter der Streitkräfte sagten am Montag auf dem vom Militär kontrollierten Fernsehsender Myawaddy, im Land solle bis zu Neuwahlen in einem Jahr eine «disziplinierte florierende Demokratie» aufrechterhalten werden.
Die De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi (75) war zusammen mit weiteren ranghohen Politikern festgesetzt worden. Die Armee hatte anschliessend einen einjährigen Ausnahmezustand verhängt.
Militär wittert Wahlbetrug
Hintergrund des Putsches sind Vorwürfe des Militärs, bei der Parlamentswahl im November habe es Wahlbetrug gegeben. Suu Kyi hatte die Abstimmung klar gewonnen und eine absolute Mehrheit erzielt.
Sie war damit für eine zweite Amtszeit bestätigt worden. Doch auch nach der Wahl blieb Suu Kyi auf die Kooperation mit dem Militär angewiesen. Ein Viertel der Sitze in den Parlamentskammern ist für die Armee reserviert.