Die Sprengung eines Gebäudes bringt die ganze koreanische Halbinsel ins Wanken. Nachdem Nordkorea am Dienstag das gemeinsam mit Südkorea betriebene Verbindungsbüro zerstört hat, rücken nun Truppen an die Grenze vor. In Südkorea ist man beunruhigt. Vereinigungsminister Kim Yeon Chul (56) ist aus Enttäuschung zurückgetreten.
Warum flammt der innerkoreanische Konflikt jetzt wieder auf, und vor allem: Wie gefährlich wird er? Der in der DDR aufgewachsene Rüdiger Frank (51) ist Leiter der Abteilung für Ostasienkunde an der Universität Wien und profunder Korea-Kenner. Für BLICK beantwortet er sieben dringende Fragen zur neuen Eskalation.
BLICK: Herr Frank, warum bricht der Konflikt jetzt wieder aus?
Rüdiger Frank: Nordkorea scheint nach einem Anlass gesucht zu haben. Man ist über den Fortschritt der Verhandlungen mit den USA unzufrieden und wünscht sich eine aktivere Rolle Südkoreas. Man hofft ferner, Südkorea zu einem Verstoss gegen die Sanktionen und damit möglicherweise einem Bruch der Allianz mit den USA zu verleiten. Südkorea wäre dann allein, während Nordkorea sich der Unterstützung Chinas sicher ist.»
Wie gefährlich sind die Drohgebärden Nordkoreas?
Es kommt darauf an, ob es bei den derzeit vor allem symbolträchtigen Handlungen bleibt, oder ob es – wie in der Vergangenheit – militärische Zusammenstösse an der Land- und Seegrenze oder auch Raketen- und Atomtests gibt. Letztere würden eine Gegenreaktion verlangen, und wir würden wie 2017 einer gefährlichen Eskalationsspirale gegenüberstehen.
Wie wird Südkorea reagieren?
Südkorea wird versuchen, den Norden zu beschwichtigen.
Wie wird Trump reagieren? Zieht er gegen Nordkorea in den Krieg?
Die USA werden zunächst abwarten. Allerdings ist Donald Trump im Wahlkampfmodus, da wäre auch eine härtere Reaktion möglich. Er wäre nicht der erste Präsident der USA, der auf diesem Wege die zweite Amtszeit schaffen will. Etwas Ablenkung vom Corona-Desaster und seinen Folgen wäre ihm sicher willkommen. Darum bin ich trotz der aktuell eher symbolischen Handlungen besorgt.
Welche Rolle spielt Kim Jong Uns Schwester Kim Yo Jong in diesem Konflikt?
Sie übernimmt den Part des «bad cop», was ihrem Bruder noch immer die Möglichkeiten für Verhandlungen und positive Signale lässt. Wir erleben eine Art Arbeitsteilung der Geschwister.
Löst sie ihren Bruder als Machthaber ab?
Nein, im Gegenteil. Sie übernimmt die Rolle seiner Verteidigerin, da die als Anlass für die Vergeltung zitierten Flugblätter Kim Jong Un persönlich angegriffen haben. Sie ist seine Erfüllungsgehilfin. Eine eigenständige Rolle sehe ich nicht.
Was hat die Vermittlung Trumps gebracht?
Ich sehe sie trotz allem positiv. Er hat die unsichtbare Mauer durchbrochen, die zuvor direkte Gespräche mit dem Führer Nordkoreas unmöglich gemacht hat. Jetzt geht das, und vielleicht wird eines Tages ein kompetenterer Präsident mehr aus dieser Option machen können.