Überraschend hat Jacinda Ardern (42) ihren Rücktritt als Premierministerin von Neuseeland angekündigt. «Ich weiss, was man für diesen Job braucht, und ich weiss, dass ich nicht mehr genug im Tank habe. So einfach ist das», begründet sie den Schritt. Zum Entscheid beigetragen haben wohl auch die sinkenden Umfragewerte und die Angst vor einer Schlappe ihrer Labourpartei bei den Wahlen am 14. Oktober. Ardern wird schon am 7. Februar abtreten.
Ihre Amtszeit hat fünfeinhalb Jahre gedauert. Zu wenig lang für eine Hoffnungsträgerin, die noch jung ist und viel verändern wollte. Dass sie nun die Flinte ins Korn wirft, trägt zu einer durchzogenen Bilanz bei.
Jacinda Ardern machte – wie auch die 2019 gewählte finnische Premierministerin Sanna Marin (37) – vor allem jungen Frauen Mut. Die Powerfrau wollte zeigen, wie sie Top-Karriere und Familie unter einen Hut bringen kann. Es war für sie selbstverständlich, dass sie 2018 ihre drei Monate alte Tochter Neve Te Aroha an die Uno-Vollversammlung mitnahm und das «First Baby» während der Sitzung schaukelte und küsste.
Menschliche Politikerin
Ihre Menschlichkeit bewies sie auch, als 2019 in Christchurch ein Extremist bei einer Moschee 51 Menschen umbrachte. Sie streifte sich ein Kopftuch über und spendete den Angehörigen der muslimischen Opfer Trost. Auch nach dem Vulkanausbruch auf White Island neun Monate später umarmte sie Überlebende sowie Helferinnen und Helfer, welche die 22 Toten geborgen hatten.
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Für Aufsehen hatte bei Amtsantritt 2017 ihre Ankündigung gesorgt, das Bruttoinlandprodukt durch einen Wohlfühlindex zu ersetzen, in dem unter anderem auch das Klima und die Kinderarmut berücksichtigt würden. Heute aber sieht sie sich mit massiv gestiegenen Preisen, Angst vor Kriminalität sowie einer Wohnungsnot verbunden mit der höchsten Obdachlosigkeit innerhalb der OECD-Länder konfrontiert.
Beliebtheit gesunken
Unter Druck kam sie in der Covid-Pandemie. Eine geringe Impfquote sowie ein Mangel an Intensivbetten führten dazu, dass Neuseeland eine Null-Covid-Strategie fahren und die Grenzen schliessen musste. Diese Strategie dürfte laut Experten zwar Tausenden von Menschen das Leben gerettet haben, sie drückte den Neuseeländern aber auch auf Portemonnaie und Psyche.
Während Arderns Ansehen international immer noch hoch ist, ist ihre Beliebtheit in Neuseeland auf 29 Prozent und somit den tiefsten Wert seit Amtsantritt gesunken. Umfragen sagen voraus, dass die Labour-Partei nicht mehr in der Lage sein würde, mit Koalitionspartnern eine Regierung zu bilden. Der rechte Block hingegen legt zu.
Und jetzt heiraten!
Die neuseeländische Reserve Bank prognostizierte Ende 2022, dass das Land 2023 in eine Rezession fallen würde. Das führte zu einem Anstieg der Hypo-Zinsen und gleichzeitig zu einem Fall der Immobilienpreise. Christopher Luxon (53), Präsident der konservativen Nationalen Partei, sagte, dass sich «das Land in die falsche Richtung» entwickle.
Der Spagat zwischen Topkarriere und Familie war für Jacinda Ardern offenbar doch schwieriger, als sie es sich vorgestellt hatte. Nach ihrem Rücktritt will sie nämlich nachholen, was sie während ihrer politischen Karriere verpasst hat: sich der Familie widmen. Und zu ihrem Partner Clarke Gayford (46) sagte sie: «Lass uns endlich heiraten.»