Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping (69) geht auf Konfrontationskurs. Zum Abschluss der Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses hat er angekündigt, das Militär zu einer «Grossen Mauer aus Stahl» auszubauen. Die Verteidigungsausgaben sollen um 7,2 Prozent auf 210 Milliarden Dollar erhöht werden.
Doch auch wenn China die Aufrüstung der Volksbefreiungsarmee (PLA) noch weiter hochfährt, wird es Jahre dauern, bis sie es mit anderen Superarmeen wie beispielsweise der US-Armee aufnehmen kann. China bleibt bei den Verteidigungsausgaben mit Abstand auf dem zweiten Platz hinter den USA, die jährlich 800 Milliarden investieren.
Simona A. Grano (44), China-Kennerin an der Uni Zürich, sagt gegenüber Blick: «Obwohl die PLA in den letzten Jahren eine grosse Anzahl moderner Schiffe, Flugzeuge und Waffen erhalten hat, ist sie weit davon entfernt, eine modernisierte Streitkraft zu sein.»
Dies werde sogar von der Führung der Kommunistischen Partei anerkannt, sagt Grano. «Sie spricht davon, die militärische Modernisierung bis 2035 und eine Weltklasse-Armee bis 2050 zu erreichen.» Noch immer sei veraltete Ausrüstung im Einsatz, deren Technologien teilweise auf die Sowjetunion zurückgehen.
Grösste Marine
Was die Truppenstärke betrifft, ist die PLA mit über 965’000 aktiven Soldaten inzwischen zur grössten Kampftruppe der Welt herangewachsen. Sie stellt die USA mit 486’000 aktiven Soldaten in den Schatten. Ausserdem hat die Armee ihr Arsenal mit Hightech-Waffen wie Interkontinental- und Hypersonic-Raketen aufgestockt.
Weil sich das Südchinesische Meer zu einem Krisenherd entwickelt, hat China die Marine bereits zur grössten der Welt ausgebaut. Auch die Luftwaffe ist inzwischen mit über 2500 Flugzeugen und gegen 2000 Kampfjets die grösste im asiatisch-pazifischen Raum und die drittgrösste weltweit.
Laut der China-Kennerin zielt Peking mit der Armee-Modernisierung vor allem auf ein Ziel: Taiwan, mit dem sich China «friedlich wieder vereinen» will. Zudem befinde sich China mit andern Ländern wie den Philippinen, Vietnam und Indien in Grenzkonflikten.
Export auch an Schwellenländer
Herstellen wird China einen Grossteil der Kriegsgeräte im eigenen Land. «Die überwiegende Mehrheit der von der PLA gekauften Ausrüstung und Technologien wird von neun staatlichen Unternehmen und einem staatlichen Forschungsinstitut geliefert», sagt Simona A. Grano. Diese Industrien exportierten immer mehr in andere Schwellenländer, mit dem Ziel, «im regionalen Wettbewerb wärmere Beziehungen zu befreundeten Nationen aufzubauen».
China ist zwar bereits der zweitgrösste Waffenproduzent der Welt, hat aber bei der Entwicklung bestimmter Waffensysteme noch Nachholbedarf. Grano: «Wenn es China gelingt, seine Verteidigungsindustrie zu stärken, kann es seine Abhängigkeit von ausländischen Technologien verringern und sich als globaler Marktführer für hochmoderne militärische Fähigkeiten etablieren.»
Zuwenig Soldaten
Allerdings hat Chinas Armee einige Probleme damit, die USA als militärische Supermacht zu überholen. Eines davon: Den Chinesen fehlt die praktische Kampferfahrung. Das letzte Mal herrschte Ernstfall, als China 1979 gegen Vietnam kämpfte.
Ein anderes Problem: Wegen des demografischen Abschwungs durch die Ein-Kind-Politik haben viele Familien nur einen Sohn. Grano: «Es kann sein, dass viele Familien nicht bereit sein werden, ihr einziges Kind den nationalistischen Ambitionen der Führung zu opfern. Es droht eine soziale Instabilität.»