Milan Radojicic wieder auf freiem Fuss
Einen Tag nach seiner Festnahme in Belgrad ist der Initiator des jüngsten Überfalls serbischer Paramilitärs auf kosovarische Polizisten, Milan Radojicic, wieder freigelassen worden. Ein Untersuchungsrichter am obersten Gericht in Belgrad lehnte am Mittwoch einen Antrag der Staatsanwaltschaft auf 30 Tage Untersuchungshaft ab, wie serbische Medien berichteten.
Allerdings darf der Kosovo-serbische Geschäftsmann und Politiker weder Serbien noch seinen Wohnort verlassen, nicht in das Kosovo reisen und muss sich jeweils Anfang und Mitte eines Monats bei der Polizei melden. Sein Reisepass sei beschlagnahmt worden.
Radojicic hatte sich öffentlich zur Urheberschaft des Angriffs militanter Serben vom 24. September auf Polizisten im Nordkosovo bekannt. Ein 30-köpfiger, schwer bewaffneter serbischer Kommandotrupp hatte in der Ortschaft Banjska bei Mitrovica kosovarische Polizisten angegriffen. Dabei wurden drei serbische Angreifer sowie ein kosovarischer Polizist getötet.
Steckt Serbien hinter Radojicic-Aktion?
Der Staatsanwaltschaft zufolge wird Radojicic vorgeworfen, von Januar 2023 bis zum 24. September in Tuzla in Bosnien-Herzegowina Waffen, Munition und Sprengkörper mit grosser Zerstörungskraft gekauft und diese im Kosovo in verlassenen Gebäuden und Wäldern versteckt zu haben. Als Rädelsführer einer Gruppe habe er bei der Aktion vom 24. September in Banjska Menschen in Gefahr gebracht.
Bei der Anhörung der Staatsanwaltschaft hatte Radojicic kriminelle Handlungen bestritten. Vorher hatte er öffentlich verkündet, im Kosovo «die Menschen in ihrem Widerstand gegen das Regime von (Ministerpräsident) Albin Kurti ermutigen» zu wollen.
Der Überfall auf Banjska hatte die Spannungen zwischen dem Kosovo und Serbien verschärft. Die kosovarische Führung warf Belgrad vor, hinter Radojicic' Aktion zu stecken. Dieser beteuerte, auf eigene Faust gehandelt zu haben. Serbiens ehemalige Provinz Kosovo hatte sich 2008 nach einem blutigen Krieg für unabhängig erklärt. Serbien erkennt dies nicht an.
Serbien meldet Festnahme von serbischem Politiker Milan Radojicic
Nach einem tödlichen Angriff auf eine kosovarische Polizei-Patrouille Ende September im Nordkosovo hat Serbien die Festnahme des mutmasslichen Anführers vermeldet. Der serbische Politiker und Geschäftsmann Milan Radojicic sei für 48 Stunden in Untersuchungshaft genommen und der Belgrader Staatsanwaltschaft übergeben worden, teilte das serbische Innenministerium am Dienstag mit. Die Polizei habe die Wohnung des Verdächtigen sowie weitere Objekte durchsucht. Wo Radojicic festgenommen wurde, teilte das Ministerium nicht mit.
Am Sonntag vor einer Woche hatte sich im Nordkosovo der schwerste Zwischenfall in der Region seit Jahren ereignet. Bei dem Angriff auf die Polizei-Patrouille war ein Polizist getötet worden. Später verschanzten sich etwa 30 bewaffnete Männer in einem serbisch-orthodoxen Kloster in dem Dorf Banjska. Drei bewaffnete Serben wurden bei Schusswechseln mit der Polizei getötet.
Die USA warnten kurz darauf vor einer «grossen serbischen Militärpräsenz entlang der Grenze zum Kosovo». Washington und Berlin warnten vor einer Eskalation und riefen eindringlich zum Dialog auf. Serbien versicherte daraufhin am Montag, die Zahl der Soldaten an der Grenze sei wieder auf einem «normalen» Niveau.
Kosovo-Aussenministerin warnt vor Balkankrieg
Donika Gervalla-Schwarz, die Kosovos Aussenministerin, hat in Bezug auf den serbischen Truppenaufmarsch vor einem neuen Balkankrieg gewarnt. «Toleriert die internationale Gemeinschaft das Vorgehen Serbiens, wird es einen Krieg geben», sagte die Ministerin im Interview mit «Deutschlandfunk».
Doch damit nicht genug: Ihr zufolge ähnelt der serbische Truppenaufmarsch zudem dem Verhalten Russlands gegenüber der Ukraine vor seiner Invasion. Die EU solle deshalb entsprechende Massnahmen gegen Belgard ergreifen.
Die Warnung erfolgte, nachdem die USA am Freitag erklärt hatten, sie beobachteten eine beunruhigende serbische Militäraufrüstung entlang der Grenze zum Kosovo, die das Gebiet destabilisiere, und nachdem die Nato zusätzliche Friedenstruppen für das Kosovo bewilligt hatte, wie Reuters berichtete.
«Eine derartige Truppenkonzentration hat es in den letzten Jahren noch nie gegeben», sagte die kosovarische Aussenministerin Donika Gërvalla-Schwarz am Montag in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. «Die Waffen, die sie dort haben, die Panzer ... das gibt uns ein ungutes Gefühl, weil wir nicht wissen, wie die internationale Gemeinschaft reagieren wird.»
Kosovo zeigt Drohnenaufnahmen von Trainings serbischer Paramilitärs
Serbische Paramilitärs, die vor einer Woche kosovarische Polizisten überfielen, sollen zuvor auf serbischem Territorium trainiert haben. Das teilte Kosovos Ministerpräsident Albin Kurti im Kurznachrichtendienst Plattform X (vormals Twitter) mit.
Er postete dort auch Drohnenaufnahmen, die diese Übungen zeigen sollen. «Die Angriffe (auf kosovarische Polizisten) geschahen mit voller Unterstützung und Planung des serbischen Staats», schrieb Kurti.
Die Drohnenaufnahmen hätten die serbischen Aggressoren selber gemacht und Kosovos Polizei habe diese zusammen mit Waffen sichergestellt, erläuterte Innenminister Xhelal Svecla nach Angaben der kosovarischen Zeitung «Koha Ditore». Die Übungen hätten an der grenznahen serbischen Militärbasis Kopaonik stattgefunden sowie in Pasuljanske Livade, einem der grössten Truppenübungsplätze Serbiens. Zudem hätten Übungen auf einem Grundstück stattgefunden, das dem kosovo-serbischen Politiker und Geschäftsmann Milan Radoicic gehört, der sich zu dem Überfall auf die kosovarischen Polizisten bekannt hatte.
Swisscoy plant keine Aufstockung des Kontingents
Die Schweiz plant nach den jüngsten Spannungen im kosovarischen Banjska keine Aufstockung der Swisscoy-Truppen im Kosovo. Das teilte das Kompetenzzentrum der Schweizer Armee für die Friedensförderung im internationalen Rahmen (Swissint) am Sonntag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit.
Die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten habe höchste Priorität und gehe zudem den operationellen Bedürfnissen vor. Im Moment gebe es keine Anzeichen, dass die Sicherheit nicht gewährleistet sei.
Angehörige der Swisscoy leisten als Teil der multinationalen KFOR verschiedene Beiträge zugunsten der Hauptaufträge dieser Friedensmission: Die Aufrechterhaltung eines sicheren und stabilen Umfelds und die Gewährleistung der Bewegungsfreiheit für alle Bürgerinnen und Bürger sowie der KFOR. Die Soldatinnen und Soldaten stehen dabei an verschiedenen Standorten im Einsatz. Die Ortschaft Banjska befinde sich nicht in einem Zuständigkeitsgebiet der Schweizer, hiess es weiter.
Die Nato-Friedenstruppe KFOR soll hingegen aufgestockt werden.
Nach US-Warnung: Serbien zieht Truppen teilweise von Grenze ab
Serbien hat nach Angaben von Präsident Aleksandar Vucic (50) einen Teil seiner Truppen von der Grenze zum Kosovo abgezogen. Zuvor hatten die USA Vucic mit Strafmassnahmen wegen einer vom Weissen Haus als «beispiellos» bezeichneten Aufstockung serbischer Truppen im Grenzgebiet gedroht.
Gegenüber dem britischen «Guardian» bestätigte ein kosovarischer Regierungsbeamter den teilweisen serbischen Rückzug. Dabei wurden Truppen und Ausrüstung abgezogen, die in den letzten fünf Tagen in Stellungen rund um die Grenze verlegt worden waren. Doch noch immer ist eine bedeutende Anzahl an serbischen Soldaten in der Region stationiert. US-Aussenminister Antony Blinken (61) hatte von Vucic eine «sofortige Deeskalation» der Situation und eine Rückkehr zur Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo gefordert.
Serbischer Präsident dementiert Vorwürfe
«Serbien will keinen Krieg», sagte der serbische Präsident Aleksander Vucic (51) am Samstag zur «Financial Times». Dies, obwohl die kosovovarische Regierung behauptet, dass Serbiens Armee sich an die kosovosarischen Grenzen begeben hätte und eine «mögliche militärische Aggression» vollstrecken würde. Vucic dementiert diese Vorwürfe. Er sagt zur Zeitung, dass er den Befehl zum Rückzug geben würde, da eine Eskalation «kontraproduktiv» sei.
Kosovos Präsidentin: «Wir müssen zusammenarbeiten»
In einer Sendung vom britischen Channel 4 sprach Vjosa Osmani (41), die Präsidentin von Kosovo, über die Beziehung zu Serbien. «Kosovo ist bereit, mehr zu tun. Wir gewähren den serbischen Gemeinschaften jedes einzelne Recht. Wir wollen, dass sie sich einbezogen und zu Hause fühlen», erklärt sie. Anders sieht es mit Serbien aus. Die Präsidentin macht klar: «Wir werden den Serben mehr Rechte geben, aber Serbien nichts. Sie verdienen keine weiteren Instrumente, um unsere Unabhängigkeit und unseren Frieden zu schmälern.»
Des Weiteren sagt die Präsidentin, dass Kosovo für immer ein «souveräner, unabhängiger demokratischer Staat» bleiben würde. Würde Serbien dies einsehen, dann würde das Land zu «mehr Frieden und Stabilität» beitragen.
Abschliessend warnt Osmani vor dem Serbischen Präsident Aleksandar Vučić (53). Sie sagt, man müsse mit den Westen zusammenarbeiten, um sicher zu stellen, dass er «die Region nicht in die 90er Jahre zurückversetzt».
Serbische Armee kommt aus drei Richtungen
Der Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo nimmt bedrohliche Ausmasse an. Pristina warf Belgrad vor, mit Militär in Richtung des Kosovos vorgerückt zu sein - und zwar «aus drei verschiedenen Richtungen». Das geht aus einer Mitteilung der kosovarischen Regierung vom Samstagabend hervor, die auch der Deutschen Presse-Agentur per E-Mail vorliegt. Das Vorrücken diene «einer möglichen militärischen Aggression gegen die Republik Kosovo».
Einheiten der Zweiten Brigade der serbischen Armee seien aus Richtung Raska in Richtung der Nordgrenze Kosovos gezogen, Einheiten der Dritten Brigade aus der Region Nis in Richtung der nordöstlichen Grenze und Einheiten der Vierten Brigade aus der Region Vranje in Richtung der Ostgrenze, schrieb die Regierung in Pristina weiter.
Serbien habe am Freitag Militär und Polizei in 48 vorgeschobene Operationsbasen entlang der Grenze zum Kosovo geschickt, im serbischen Hoheitsgebiet, einige Kilometer von der kosovarischen Grenze entfernt. Dabei habe Serbien Flugabwehrsysteme und schwere Artillerie in Stellung gebracht. Kosovo sei in Abstimmung mit internationalen Partnern «entschlossener denn je, die territoriale Integrität zu schützen», hiess es in der Erklärung der Regierung.
Deutsches Auswärtiges Amt mahnt: «Es darf keine weitere Eskalation geben»
Per X, ehemals Twitter, äussert sich das Auswärtige Amt von Deutschland über die Ereignisse in Kosovo. «Zwischen Serbien und Kosovo darf es keine weitere Eskalation geben», heisst es. Weiter fordert das Amt den Abzug Serbischer Truppen von der Grenze.
USA fordern Serbien zur Deeskalation auf
In den wachsenden Spannungen zwischen Serbien und dem Kosovo haben die USA die serbische Seite zur sofortigen Deeskalation und Umsetzung ihrer Verpflichtungen aus dem Normalisierungsabkommen aufgerufen. US-Aussenminister Antony Blinken und der serbische Präsidenten Aleksandar Vucic hätten deshalb miteinander telefoniert, teilte das US-Aussenministerium am Freitag in Washington mit. Blinken habe in dem Gespräch deutlich gemacht, dass die Verantwortlichen des schweren Überfalls vom vergangenen Sonntag, die sich derzeit in Serbien aufhielten, zur Rechenschaft gezogen werden müssten. Er begrüsse es, dass die Nato die Entsendung zusätzlicher Streitkräfte in das kleine Balkanland genehmigt habe.
In den fast ausschliesslich von Serben bewohnten Norden des Kosovos ist eine militärisch ausgerüstete Kampftruppe eingedrungen. «Es sind mindestens 30 Mann, schwer bewaffnet, uniformiert, professionelle Militärs oder Polizisten, die im Dorf Banjska von unseren Polizeikräften umstellt sind», sagte der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti (48) am Sonntag auf einer Pressekonferenz in Pristina.
Bereits in den frühen Morgenstunden hatte sich der Trupp, der vermutlich aus dem benachbarten Serbien eingedrungen war, ein Gefecht mit kosovarischen Polizisten geliefert. Dabei wurden ein Beamter getötet und ein weiterer verletzt, wie das Innenministerium in Pristina bestätigte. Der Verletzte schwebte am Sonntagnachmittag nicht in Lebensgefahr, wie Kurti am Sonntag auf Facebook schrieb.
Die Angreifer hatten offenbar einen Hinterhalt gelegt. Die kosovarischen Polizisten gerieten unter Feuer, als sie zwei Lastwagen ohne Kennzeichen untersuchten. Diese waren auf einer Brücke abgestellt und blockierten den Zugang nach Bangka nahe der Stadt Mitrovica.
Kurti berief den Nationalen Sicherheitsrat ein und präsentierte der Öffentlichkeit eine Reihe von Fotos, auf denen in der Nähe des orthodoxen Klosters in Banjska Geländewagen ohne Kontrollschilder zu sehen waren. Ebenfalls auf den Aufnahmen: ein gepanzerter Mannschaftstransporter, «der nicht zur Polizei des Kosovo gehört». Die Angreifer haben sich gemäss «Blic» in dem Kloster verschanzt, gelegentlich seien Schüsse zu hören. Auf Fotos war zu sehen, wie ein bewaffneter Mann einen Geistlichen bedrohte.
Schnellfeuergewehre, Gewehrgranaten, Handgranaten
Bei dem Gefecht am frühen Morgen setzten die Angreifer neben Schnellfeuergewehren auch Gewehrgranaten und Handgranaten ein. Kosovarische Medien berichteten, Einwohner seien in der Nacht durch Schüsse und Explosionen geweckt worden. «Das war ein richtiger kleiner Krieg: Erst einige Schüsse, dann Ruhe, Schüsse, Explosionen», sagte ein Einwohner der serbischen Nachrichtenagentur Kossev.
Kurti macht Serbien verantwortlich. Strassen und Grenzübergange in das Nachbarland seien blockiert worden, hiess es in den Medien.
Es handle sich um einen Angriff auf den Staat Kosovo, so Kurti. Er forderte die von den kosovarischen Polizeieinheiten eingekreisten Eindringlinge auf, sich zu stellen. «Organisierte Verbrecher, die politisch, finanziell und logistisch von Belgrad unterstützt werden, greifen unseren Staat an», behauptete der Politiker in den sozialen Medien. «Die Regierung der Republik Kosovo und die staatlichen Institutionen sind bereit (...), um auf Verbrechen und Kriminelle, Terrorismus und Terroristen zu reagieren.»
Vucic will sich am Sonntag äussern
Der serbische Parlamentspräsident Vladimir Orlic (40) konterte Kurtis Anschuldigungen. Es sei Kurti, der eine Eskalation wolle. Der kosovarische Premier wisse, wer die Angreifer seien, sagte Orlic dem Fernsehsender Prva. Serbiens Präsident Aleksandar Vucic (53) will am Sonntag um 20 Uhr im Rahmen einer Medienkonferenz ein Statement zu den Geschehnissen abgeben. Kurti und Vucic hatten sich zuletzt vor zehn Tagen zu Gesprächen getroffen. Diese blieben jedoch ohne Ergebnisse.
Die jüngste Eskalation ist der schwerste Zwischenfall im angespannten Verhältnis zwischen dem Kosovo und Serbien seit Jahren. Das heute fast ausschliesslich von Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 1999 mit Nato-Hilfe von Serbien abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt. Mehr als 100 Länder, darunter Deutschland, erkennen die Unabhängigkeit des Kosovos an. Serbien findet sich damit nicht ab und will seine einstige Provinz wieder zurückhaben. (noo/nad/SDA)