Neue Extremismus-Kategorie
Deutscher Geheimdienst beobachtet Querdenker

Der deutsche Inlandsgeheimdienst hat neben Rechtsextremismus, Linksextremismus und Islamismus neu eine weitere Kategorie auf dem Radar: die verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates. Damit wird auch die Überwachung organisierter Corona-Skeptiker möglich.
Publiziert: 28.04.2021 um 11:36 Uhr
|
Aktualisiert: 28.04.2021 um 14:11 Uhr
1/8
Ein Demonstrant an einer Kundgebung von Querdenkern und Corona-Massnahmengegnern in Berlin trägt statt einer Maske eine Unterhose im Gesicht.
Foto: AFP

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet Personen und Gruppen innerhalb der sogenannten Querdenker-Bewegung, die regelmässig gegen die staatlich verordneten Corona-Massnahmen protestiert. Dies teilt das Innenministerium in Berlin mit.

Der Verfassungsschutz darf nun beispielsweise Daten zu bestimmten Personen aus der Szene sammeln. Insgesamt befürchtet die Behörde, dass die im Zuge der Proteste gegen die Corona-Massnahmen verbreiteten Verschwörungstheorien auch nach Ende der Pandemie nicht verschwinden werden.

Observation, Anwerbung von Informanten

Da die Bewegung keinem der bisher bekannten Phänomenbereiche wie Rechtsextremismus, Linksextremismus oder Islamismus zuzuordnen ist, sei die neue Kategorie «verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staats» geschaffen worden, teilt das Innenministerium mit. Die neue Kategorisierung ermögliche sowohl eine Bearbeitung als Verdachtsfall als auch als erwiesen extremistische Bestrebung, teilt das Ministerium mit.

Bei einem Verdachtsfall sieht der Verfassungsschutz gewichtige Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen. Damit kann das Bundesamt Betroffene unter strengen Voraussetzungen systematisch beobachten und heimlich Informationen beschaffen, etwa durch Observation oder die Anwerbung von Informanten. Die Überwachung von Telefonaten zum Beispiel muss aber genehmigt werden.

Wenn sich der Verdacht für den Verfassungsschutz zur Gewissheit erhärtet, folgt die Einstufung als erwiesen extremistische Bewegung. Unter diesen Voraussetzungen sind weitere Überwachungsmöglichkeiten zugelassen.

Legitime Proteste und Demonstrationen gegen die Corona-Politik würden immer wieder, in jüngerer Zeit zunehmend, instrumentalisiert und es würden Eskalationen provoziert, begründet das Ministerium die Entscheidung. Anmelder und Organisatoren von Demonstrationen – vor allem Protagonisten der Querdenken-Bewegung – «zeigen zum Teil deutlich, dass ihre Agenda über die reine Mobilisierung zu Protesten gegen die staatlichen Corona-Schutzmassnahmen hinausgeht».

Staatliches Gewaltmonopol werde letztlich negiert

Verbindungen zu «Reichsbürgern» und «Selbstverwaltern» sowie Rechtsextremisten seien «in Kauf genommen oder gesucht, das Ignorieren behördlicher Anordnungen propagiert und letztlich das staatliche Gewaltmonopol negiert» worden. Das sei insgesamt geeignet, das Vertrauen in die staatlichen Institutionen und seine Repräsentanten nachhaltig zu erschüttern.

Einige Behörden für Verfassungsschutz in den deutschen Bundesländern beobachten die Querdenker-Bewegung bereits – zum Beispiel in Baden-Württemberg. In Bayern beobachtet das Landesamt für Verfassungsschutz Teile davon. (SDA/noo)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?