Auf einen Blick
Russlands Präsident Wladimir Putin (71) warnt: Sollte der Westen der Ukraine Präzisionswaffen gegen Ziele tief auf russischem Territorium erlauben, bedeute das eine Kriegserklärung der Nato. Denn um solche Waffen zu bedienen, brauche es zwingend Nato-Soldaten.
Schon heute stünden in der Ukraine westliche Spezialkräfte im Einsatz, behauptet der Kreml. Die russische Botschaft in Bern schreibt gegenüber Blick auf Anfrage: «Das Verteidigungsministerium der Russischen Föderation hat detaillierte Statistiken über die Beteiligung ausländischer Söldner an den bewaffneten Truppen des Kiewer Regimes.» So unrecht hat sie damit gar nicht.
Gemäss Militärexperten kann zwar ausgeschlossen werden, dass uniformierte Soldaten im Auftrag ihrer Heimatländer in der Ukraine kämpfen. Mykola Makhortykh (37), Experte für russische Desinformation an der Universität Bern, sagt dazu: «Es ist kaum möglich, eine aktive Beteiligung westlicher Militärs zu verbergen.»
Spezialisten ohne Uniform
Dennoch dürfte das ukrainische Militär an der Front von ausländischen Spezialisten unterstützt werden. Ralph D. Thiele (70), Vorsitzender der deutschen Politisch-Militärischen Gesellschaft und Präsident von EuroDefense Deutschland sowie Autor des Buchs «Hybride Kriegsführung – Zukunft und Technologien», erklärt: «Oft handelt es sich um ehemalige militärische Spezialkräfte, die die Uniform abgelegt haben und nun mit ihrem Know-how und ihrer Erfahrung als Mitarbeiter einer privaten Firma im Einsatz stehen.»
Thiele ist davon überzeugt, dass diese sogenannten Contractors die Ukrainer nicht nur an westlichen Waffen ausbilden, sondern sie auch auf dem Schlachtfeld unterstützen würden. «Sie schiessen zwar nicht selbst, aber sie stehen neben den Kriegsgeräten und helfen ihren ukrainischen Kollegen bei der Bedienung.»
Waffen updaten
Auch bräuchten die modernen Waffen aus dem Westen regelmässig digitale Updates. «Das wird aus Sicherheitsgründen kaum aus der Ferne per digitaler Übertragung gemacht. Viel eher kommt ein Spezialist aus dem Herstellerland mit einer Festplatte vorbei und schliesst sie an das System an», meint Thiele.
Wichtige Hilfe leistet der Westen zudem in der Logistik. Viel passierte bisher in Nachbarländern wie Polen und Tschechien, nahe der Grenze zur Ukraine. Thiele: «Rüstungsfirmen wie Rheinmetall bauen aber auch in der Ukraine selbst Werkstätten, um Kriegsmaterial zu reparieren.» Auch hier, meint Thiele, würden Contractors zum Einsatz kommen.
Strategische Beratung
Bekannt war bisher, dass die westlichen Partner die Ukrainer mit Auswertungen von Satelliten-Überwachung beliefern, Soldaten schulen und auch strategisch beraten. Wie weit diese Beratung geht, ist unbekannt. Es dürfte sich aber um eine allgemeine Beratung handeln und nicht um die konkrete Planung von einzelnen Einsätzen.
Glen Grant (71), ehemaliger Oberstleutnant der britischen Armee, Verteidigungsanalyst beim Ukrainischen Institut für die Zukunft und ehemaliger Berater des ukrainischen Verteidigungsministeriums, sagt gegenüber Blick: «Die Nato weiss zu wenig über die Vorgänge auf dem Schlachtfeld, um die Pläne richtig einschätzen zu können.» Grant ergänzt, dass die westliche Hilfe vor Ort gar nicht immer willkommen sei. «Die ukrainische Armee hasst es, als nicht perfekt angesehen zu werden.»
Eigene Fehler vertuschen
Laut Mykola Makhortykh gibt es Hinweise darauf, dass die Beteiligung des westlichen Militärs an der Planung in letzter Zeit abnimmt. «Der ukrainische Angriff in Kursk zum Beispiel war für den Westen wahrscheinlich eine grosse Überraschung, da er streng geheim gehalten wurde, um potenzielle Informationslecks zu verhindern.»
Viele der Vorwürfe aus Moskau sind laut Makhortykh Kreml-Propaganda. So sei auch behauptet worden, dass westliche Piloten Kampfjets flögen, was aber wegen der Sprachbarriere und des Risikos auf Personalverlust höchst unwahrscheinlich sei. Der Propaganda-Forscher folgert: «Solche Behauptungen verwendet der Kreml, um die Fehler in seiner Kriegsanstrengung gegenüber der russischen Bevölkerung zu rechtfertigen.»