Am 14. April 2022 sank das russische Kriegsschiff Moskwa. Die Ukraine berichtete daraufhin, der Kreuzer sei von Raketen getroffen worden. Doch die russische Regierung sah das ganz anders. Nach Angaben des Kremls habe es an Bord einen Brand gegeben. Die Besatzung habe man retten können. Ausserdem sei das Schiff nach wie vor seetüchtig.
Genau deswegen machte sich eine Mutter, deren Sohn sich auf der Moskwa befand, auch keine Sorgen. Sie war beruhigt. Aus Sicherheitsgründen will sie anonym bleiben. Als nach der Meldung aber keine Updates mehr zu den Besatzungsmitgliedern folgten, wurde sie nervös. Schliesslich wusste sie nicht, ob ihr Kind denn nun wirklich noch am Leben war, wie sie gegenüber der «Welt» berichtet.
Schon vor einigen Monaten wurde der junge Mann auf der Moskwa stationiert. Im Februar berichtete er seiner Mutter dann, dass das Kriegsschiff in ein Manöver ziehen werde. Als Kreml-Chef Wladimir Putin (69) kurz darauf der Ukraine den Krieg erklärte und das Land angriff, bekam die Soldaten-Mutter Angst um das Leben ihres Jungen.
Keine Rückrufe, keine Antworten
Zuletzt konnte sie Mitte März mit ihrem Kind sprechen. Danach verfolgte sie im Internet und den sozialen Medien den Angriffskrieg, den es laut Russland gar nicht gibt, bis zum angeblichen Brand des Kampfschiffs. Zuerst wurde sie von der Regierung beruhigt, denn es seien ja alle Besatzungsmitglieder gerettet worden. Danach wuchsen allerdings die Zweifel.
Der Mutter zufolge habe nämlich niemand mehr angerufen oder sie angeschrieben. Ihre zahlreichen Anrufe blieben zunächst unbeantwortet. Als sie dann beim Einkaufen war, erhielt sie erstmals die traurige Nachricht, dass ihr Sohn vermisst werde. Ausserdem gäbe es im kalten Wasser kaum Überlebenschancen.
«Aber Sie sagten doch, Sie hätten alle gerettet»
Die Mutter war verzweifelt. «Ich hatte das Gefühl, der Boden unter meinen Füssen gibt nach. Ich schwankte», sagt sie zur «Welt». Sie habe den Mann am anderen Hörer gefragt, dass sie den Anruf nicht verstehe. «Aber Sie sagten doch, Sie hätten alle gerettet», sagte sie am Telefon. Danach schrie sie ins Telefon: «Was machen Sie denn jetzt?»
Mehr als eine Woche später erklärte das russische Verteidigungsministerium offiziell, dass ein Besatzungsmitglied bei dem Untergang der Moskwa ums Leben kam und 27 weitere vermisst werden. Die übrigen 396 Mitglieder der Besatzung seien aber gerettet worden.
Warum man zuvor behauptete, dass die gesamte Besatzung gerettet wurde, erklärte man nicht. Und plötzlich war das Kriegsschiff Moskwa auch nicht mehr seetüchtig, wie ebenfalls zuvor behauptet, sondern sei in einem Sturm gesunken.
«Das ist eine Lüge! Eine unverfrorene und zynische Lüge!»
Die verzweifelte Mutter, die ihren Sohn vermutlich auf dem gesunkenen Raketenkreuzer verloren hat, ist mit ihrer Sorge nicht allein. Die Nachrichtenagentur AP konnte in den sozialen Medien 13 weitere Angehörige aufspüren, die auf der Suche nach jungen Männern, die auf der Moskwa dienten, waren.
Auf der Plattform Vk.com schrieb beispielsweise ein empörter Vater: «Das ist eine Lüge! Eine unverfrorene und zynische Lüge!» Schon wenige Tage nach dem Untergang des Kriegsschiffs habe er von den Schiffskommandeuren erfahren, dass sein Sohn auf die Vermisstenliste gesetzt wurde.
Wie viele Personen auf dem Kriegsschiff Moskwa»tatsächlich umkamen und wie viele noch vermisst werden, weiss wohl nur die russische Armee. Die Angabe, dass nur ein Besatzungsmitglied starb, scheint unwahrscheinlich. Erst vor Kurzem berichtete die Kreml-nahe Zeitung «Readovka», dass 116 Russen auf dem gesunkenen Kampfschiff ums Leben kamen und weitere 100 vermisst werden. Die Meldung wurde kurze Zeit später wieder gelöscht. (obf)