Zum Jahrestag des Ukraine-Krieges fordern die einen Politiker mehr Waffen, die der Westen der Ukraine liefern soll. Andere dagegen rufen dazu auf, genau diese Waffenlieferung zu drosseln und sich stattdessen mit Russland an den Verhandlungstisch zu setzen. Dazu gehören die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht (53) und die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer (80). Die beiden Frauen hatten im Februar ein «Manifest für Frieden» veröffentlicht. Darin warnen sie vor einer Eskalation und fordern Kompromisse «auf beiden Seiten». Am Samstag soll in Berlin wollen sie ihre Anhängerinnen für eine Demo vor dem Brandenburger Tor in Berlin versammeln.
Wagenknecht und Schwarzer stehen mit ihrer Sicht nicht alleine da. Über eine halbe Million Menschen hat inzwischen das Manifest mit der Forderung nach Friedensgesprächen mit Russland im Ukraine-Krieg unterschrieben. Laut Zählung der geleisteten Unterschriften auf der Website change.org überschritt die Zahl der Unterstützenden am Donnerstag die 600'000-Marke.
Die Politikerin und die Publizistin fordern die Bundesregierung um Olaf Scholz (64) auf, sich auf deutscher wie europäischer Ebene «an die Spitze einer starken Allianz für einen Waffenstillstand und für Friedensverhandlungen» zu setzen, statt weiter Waffen in die Ukraine zu liefern. Die Ukraine könne gegen die grösste Atommacht der Welt keinen Krieg gewinnen, heisst es darin. Verhandeln heisse nicht kapitulieren, aber «Kompromisse machen, auf beiden Seiten», mit dem Ziel «weitere Hunderttausende Tote und Schlimmeres zu verhindern.»
Ukrainischer Aussenminister nicht einverstanden
Die Forderungen der Petition sind umstritten und spalten Deutschland. Kritiker werfen den Frauen vor, mit ihren Ideen dem Kreml in die Hände zu spielen. Sie fragen sich: Welchen Sinn macht es, mit einem Land zu verhandeln, in dessen «befriedeten» Gebieten Vergewaltigungen und Erschiessungen an der Tagesordnung sind? Die Ukrainer müssten weiterkämpfen, dies sei der einzige Weg, einen richtigen Frieden zu erreichen.
Der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter hat deshalb eine Gegenpetition mit dem Namen «Die Ukraine jetzt aufgeben? Nicht in unserem Namen!» gestartet. Diese hat bisher etwas mehr als 14'200 Unterschriften. «Hunderttausende ukrainische Frauen und ihre Kinder hierzulande, deren Männer, Brüder und Väter gerade auf dem Schlachtfeld kämpfen, staunen nur vor diesen Ideologen, die ‹den Frieden› per Manifest bestellen – koste es, was es wolle», heisst es in der Petition. «Wer glaubt, dass wir morgen im Frieden aufwachen, wenn wir die Ukraine jetzt aufgeben, der irrt. Frieden ohne Freiheit ist kein Frieden. Die Ukrainer verdienen einen gerechten Frieden.»
Wagenknechts und Schwarzers Forderungen stossen auch den ukrainischen Aussenminister sauer auf. Dmytro Kuleba sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe und der französischen Zeitung «Ouest-France», dass er derzeit keine Chance für diplomatische Initiativen zur Beendigung des Krieges in seinem Land sehe. «Ich mag jeden, der Frieden durch diplomatische Initiativen erreichen will», sagte Kuleba. «Aber wie kann eine solche Initiative funktionieren? Sollte der Preis für den Frieden darin bestehen, dass Russland in den besetzten Gebieten bleibt?»
Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sieht im Ukraine-Krieg derzeit keinen Spielraum für Verhandlungen mit Moskau. Es sei «nicht die Zeit für Dialog» mit Russland, sagte Macron vergangene Woche auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Russland habe «Krieg gewählt». Verhandlungen könnten nur unter Bedingungen stattfinden, welche «die Ukraine wählt», sagte Macron. (man/AFP)