Kaum steht die Zusage für Kampfpanzer, fordert die Ukraine Kampfjets. Die westlichen Verbündeten kommen bei der Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen Russland kaum nach – und untergraben dabei auch die eigene Verteidigungsfähigkeit.
Die Nato-Staaten beliefern die Ukraine unter anderem aus eigenen Beständen. Dies macht sich insbesondere im Bereich der Artilleriegeschosse bemerkbar. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (63) fordert nun, dass die Mitgliedstaaten mehr Munition bestellen und die Fabriken ihre Produktionskapazitäten erhöhen. Dabei gehe es auch darum, die eigenen Bestände wieder aufzufüllen, erklärte Stoltenberg am Dienstag am Rande von Beratungen der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe in Brüssel.
Stoltenberg hatte bereits im Januar vor einer schwindenden Wehrbereitschaft der Mitgliedstaaten gewarnt: «Unsere Unterstützung der Ukraine hat die Bestände der Nato an Waffen und Munition immer weiter geleert», sagte er der «Welt». Die Unterstützung sei wegen des Bedarfs der Ukraine richtig und notwendig gewesen. «Aber natürlich müssen wir unsere eigenen Vorräte an Munition und Waffensystemen wieder auffüllen, auch um sicherzustellen, dass wir die Ukraine weiter versorgen können.»
Kiew verschiesst mehr Munition als produziert wird
Gegenüber der Lieferung von Kampfjets zeigt sich Stoltenberg grundsätzlich offen. Doch jetzt gehe es vorrangig darum, die bereits geleisteten Versprechen einzuhalten und sicherzustellen, dass alle bereits gelieferten Systeme so funktionieren, wie sie sollten. Neben Munition erwähnte Stoltenberg in diesem Zusammenhang am Dienstag auch Ersatzteile und Wartung.
Die ukrainischen Truppen verschiessen laut Stoltenberg mehr Munition, als westliche Rüstungsfirmen herstellen. Die derzeitige Rate der ukrainischen Munitionsausgaben sei «um ein Vielfaches» höher als die derzeitige Produktionsrate. Dies setzte die Verteidigungsindustrie unter Druck. «Die Wartezeit für grosskalibrige Munition hat sich zum Beispiel von 12 auf 28 Monate verlängert. Bestellungen, die heute aufgegeben werden, könnten erst zweieinhalb Jahre später ausgeliefert werden. Wir müssen also die Produktion hochfahren und in unsere Produktionskapazitäten investieren.»
Produktionssteigerungen brauchen Zeit
Besonders in Europa hielten Regierungen die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem artilleriebasierten Landkrieg kommt, jahrzehntelang für klein. Die Produktionskapazitäten wurden deshalb heruntergefahren. Tom Waldwyn, wissenschaftlicher Mitarbeiter am International Institute for Strategic Studies, erklärt gegenüber CNN: «Bei Produktionssteigerungen, die schnell vorgenommen werden können, gibt es Grenzen. Grössere Produktionssteigerungen sind teuer und brauchen Zeit.»
Ein ähnliches Bild zeichnet der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, André Wüstner (49), im ZDF-«Morgenmagazin» mit Blick auf die geplante Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine. Diese sei «gut für die Ukraine einerseits, schlecht für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr andererseits». Die Politik müsse nun die Industrie stärken, damit das nötige Gerät in den kommenden Jahren verfügbar sei, fordert Wüstner. Bei der Nato gibt es derweil Bestrebungen, das Ziel für die Verteidigungsausgaben der Mitgliedsländer von zwei auf drei Prozent des Bruttoinlandprodukts zu erhöhen.