Täglich fliegen an der ukrainischen Schwarzmeerküste russische und westliche Flugzeuge und Drohnen, bemannt und unbemannt, in unmittelbarer Nähe voneinander umher. Dass es am Rande eines Krieges dadurch zu einer Eskalation kommen könnte, ist eine Sorge vieler Beobachter.
Am Dienstag ist diese Sorge noch grösser als sonst: Ein militärischer Zwischenfall über dem Schwarzen Meer sorgte für neue Spannungen zwischen den USA und Russland. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist vorgefallen?
Das US-Militär teilte mit, dass zwei russische Su-27-Kampfjets versucht hätten, eine amerikanischen Drohne vom Typ MQ-9 Reaper abzufangen. Diese sei im internationalen Luftraum über dem Schwarzen Meer geflogen, als einer der beiden Jets den Propeller der US-Drohne getroffen habe.
Zudem sollen die Jets vor dem Zusammenstoss mehrfach Treibstoff über der US-Drohne abgelassen haben und seien vor dieser hergeflogen – in «rücksichtsloser Weise». Nach dem russischen Manöver sei die US-Drohne flugunfähig gewesen und musste von US-Kräften vom Himmel geholt werden. So habe man die Drohne komplett verloren. Schaden: 32 Millionen Dollar.
Wie reagieren die USA?
Die Amerikaner geben Russland die Schuld am Vorfall, das US-Aussenministerium will sogar den russischen Botschafter in Washington, Anatoli Antonow (67), einbestellen.
Der Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer (72), bezeichnete den Vorfall als «eine weitere rücksichtslose Tat» des russischen Präsidenten Wladimir Putin (70) und seines Militärs.
US-Präsident Joe Biden (80) sei über den Vorfall informiert worden, so Sicherheitsrats-Sprecher John Kirby (60). Falls die Russen mit der Aktion die USA davon abhalten wollten, im internationalen Luftraum zu fliegen und zu operieren, dann werde diese Botschaft keinen Erfolg haben, betonte er.
Was sagt Russland?
Das russische Verteidigungsministerium weist jegliche Verantwortung von sich. Die Drohne sei nicht angegriffen worden. «Die russischen Kampfflugzeuge haben keine Bordwaffen eingesetzt, sind nicht in Kontakt mit dem unbemannten Flugapparat geraten und kehrten sicher zu ihrem Heimatflughafen zurück», hiess es in einer Mitteilung.
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Anatoli Antonow, der russische Botschafter in Washington, warf den USA vor, mit der Drohne Daten für Kiew zu sammeln. «Was machen sie Tausende Meilen entfernt von den Vereinigten Staaten? Die Antwort ist offensichtlich – sie sammeln Geheimdienstinformationen, die später vom Kiewer Regime genutzt werden, um unsere Streitkräfte und unser Territorium anzugreifen.» Er sagte weiter, die «inakzeptablen Aktionen des US-Militärs in unmittelbarer Nähe zu unseren Grenzen» gäben Anlass zur Sorge.
Laut der Nachrichtenagentur AFP hat Russland die USA am Mittwochmorgen dazu angehalten, «feindliche Flüge stoppen».
Wozu wird die MQ-9 eingesetzt?
Die MQ-9 Reaper ist ein grosses, unbemanntes Luftfahrzeug. Es wird von einem Zwei-Personen-Team ferngesteuert, das aus einem Piloten und einem Mitglied der Flugbesatzung besteht, das die Sensoren bedient und die Waffen lenkt, wie der Hersteller schreibt.
Nach Angaben der US-Luftwaffe dient es in erster Linie der «Aufklärungsarbeit», aber auch der Durchführung von Präzisionsschlägen gegen «hochwertige und zeitkritische Ziele». Die Reaper können bis zu 16 Hellfire-Raketen tragen. Das abgestürzte Modell war allerdings laut US-Angaben unbewaffnet.
Kommt es nun zur Eskalation?
Kirby mahnte, ein derart unangemessenes Vorgehen russischer Piloten könnte zu «Fehleinschätzungen» zwischen den Streitkräften beider Länder führen. «Wir wollen nicht, dass dieser Krieg über das hinaus eskaliert, was er dem ukrainischen Volk bereits angetan hat.»
Die US-Denkfabrik ISW geht aber nicht davon aus, dass es zu einer militärischen Eskalation zwischen den beiden Grossmächten kommen wird. «Russische Streitkräfte haben jahrzehntelang auf verschiedenen Schauplätzen Zwangssignale gegen Flüge und Marineschiffe der USA und ihrer Verbündeten eingesetzt, ohne dass es zu einem Konflikt gekommen wäre.»
Die Staatsoberhäupter der beiden Länder hätten die volle Entscheidungsmacht in diesen Angelegenheiten. «In Anbetracht der wiederholten Zusagen von Biden, die US-Streitkräfte nicht in einen direkten Konflikt mit Russland zu verwickeln, und der eindeutigen und wiederholt bekundeten Abneigung des Kremls, sich auf einen Krieg mit der Nato einzulassen, gibt es keinen Grund dafür, dass Zwischenfälle wie diese zu gefährlichen Eskalationen führen.»