Das Mysterium um Karl-Erivan Haub (†58) geht weiter. Der Boss der deutschen Tengelmann-Unternehmensgruppe verschwand am 7. April 2018 in Zermatt VS. Im Mai dieses Jahres erklärte das Kölner Amtsgericht den Milliardär für tot.
Dennoch bleibt sein Verschwinden ein Rätsel – die Leiche ist bis heute nicht gefunden worden. Am Donnerstagabend strahlte der deutsche Fernsehsender RTL nun einen Dokumentarfilm zum Fall Haub aus. Monatelang hatte ein Team zum Mysterium recherchiert.
Gleich zu Beginn des Films wird die These eingebracht, dass Haub womöglich nicht verunfallt ist. «Wo steckt dieser Mann?», fragt der Film-Sprecher. «Verschwunden im Eis – oder abgetaucht in Russland?» Und: «Eines der grössten Rätsel unserer Zeit. Plötzlich spurlos in den Bergen Zermatts verschwunden.»
Telefonate mit mysteriöser Russin
Russland spielt eine grosse Rolle beim Aufrollen des Falls des Tengelmann-Chefs. Gemäss Auswertung seiner Handydaten hatte Haub ein Doppelleben in Russland geführt und dort eine Geliebte besucht.
Noch pikanter: Am Abend des 6. April 2018, also am Vorabend seines Verschwindens, telefonierte Haub zweimal mit der Russin Nina S.* (41). Gemäss RTL-Quellen aus Geheimdienst-Kreisen soll es sich bei der Frau um eine aktive Agentin des russischen Inland-Geheimdienstes FSB handeln. Unklar sei aber, ob Nina S. auch Haubs Geliebte war. Offiziell ist Nina S. Marketing-Direktorin einer Agentur in St. Petersburg.
Im Film ist zu sehen, wie RTL versucht, Nina S. zu kontaktieren. Der Sender will mehr zu den Liebesbeziehungs-Gerüchten mit Karl-Erivan Haub wissen. Und: Was die Russin über das dubiose Verschwinden des Milliardärs weiss. Die Frau will keine Auskunft erteilen.
Half Nina S. Tengelmann beim Untertauchen?
Als RTL bei Ninas Agentur nachfragt, wird klar, dass die 41-Jährige gar nicht mehr dort arbeitet. Und zwar seit drei Jahren! Sie sei damals aus persönlichen Gründen nach Moskau umgezogen.
Nina S. schreibt auf Social Media von einem Neustart – am 7. April 2018. Der Tag, an dem Karl-Erivan Haub in Zermatt verschwand. RTL wirft die These auf, dass Nina S. dem Tengelmann-Boss womöglich geholfen haben könnte, unterzutauchen.
Bei weiteren Recherchen stösst RTL auf weitere Indizien: Auf Haubs Telefonliste tauchen plötzlich viele Russland-Anrufe auf. Und zwar ab dem Zeitpunkt vom Tod von Karl-Erivans Vater Erivan Haub (†85)! Dieser verstarb am 6. März 2018. Besonders häufige Verbindungen sind dabei jene eines Russen-Bankers – und jene von Nina S. Im Film fragt die RTL-Sprecher-Stimme: «Haben sie das Verschwinden geplant?»
Nina S. für Russen-Geheimdienst GRU gelistet
RTL erhält später eine Information, dass Nina S. tatsächlich beim Geheimdienst gelistet sei. Jedoch nicht beim Inland-Geheimdienst FSB, wie die RTL-Rechercheure aufgrund von Akten zunächst annahmen. Sondern beim Militär-Geheimdienst GRU.
Die Frage bliebt, warum Karl-Erivan Haub allenfalls verschwinden wollte. «Was hat er möglicherweise getan, dass ihm vielleicht ein Verschwinden als der einzige Ausweg erschien?», fragt die Off-Stimme im RTL-Film.
Geheimdienst-Experte Malte Roschinski sagt dazu zu RTL: «Zum eigenen Schutz und zum Schutz der Informationen, die diese Person mit sich trägt, kann es manchmal sinnvoll und auch verhältnismässig sein, jemanden an einen anderen Ort zu verbringen.» In diesem konkreten Fall: «Durch russische Dienste und russische Möglichkeiten» an einen Ort in Russland zu gelangen und «sich dort zu verstecken.»
Karl-Erivans Bruder widerspricht alternativen Theorien
Auf RTL-Anfrage an Familie Haub antwortet Karl-Erivans jüngerer Bruder Christian (57) am 27. Mai 2021 schriftlich: «Sowohl 2018 in Zermatt wie auch danach ging es vor allem darum, meinen Bruder zu finden und als Familie Gewissheit zu haben.» Denn wenn man einen Menschen verliere, möchte man Abschied nehmen können, so der Bruder weiter. «Hierfür sind wir allen Spuren nachgegangen, auch wenn sie uns noch so abwegig erschienen.»
Man sei «mit dem Aufkommen immer neuer Theorien zum Schicksal meines Bruders» auch diesen nachgegangen, schreibt Christian Haub.
Doch sein Fazit ist klar: «Nach Jahren intensiver Arbeit, auch im Ausland, müssen wir aber feststellen, dass es bis heute keine stichhaltigen Beweise und letztlich auch kein stichhaltiges Motiv gibt, die die Richtigkeit der alternativen Theorien stützen würden.» (nl)
* Name geändert