Muss er doch nicht sterben?
Eltern von Archie (12) rufen europäisches Gericht an

Nach einem Unfall liegt der kleine Archie (12) im Koma. Die Eltern wollen, dass die lebenserhaltenden Massnahmen aufrecht gehalten werden. Doch britische Gerichte lehnen dies ab. Jetzt wird der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eingeschaltet.
Publiziert: 03.08.2022 um 09:31 Uhr
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Im Koma: der kleine Archie aus Grossbritannien.
Foto: Zvg

Kurz vor der geplanten Abstellung der lebenserhaltenden Massnahmen im Fall des unheilbar kranken Archie (12) in England wollen die Anwälte der Familie den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einschalten. Man werde bis 9 Uhr Ortszeit am Mittwoch einen entsprechenden Antrag einreichen, um die Abschaltung der Geräte zu verhindern, sagt Archies Mutter der englischen Nachrichtenagentur PA zufolge. Wieder einmal habe man kaum Zeit.

Die Abstellung der lebenserhaltenden Massnahmen steht eigentlich unmittelbar bevor. Die Nachrichtenagentur PA meldete unter Berufung auf die Familie des Zwölfjährigen, die Geräte, die den Jungen derzeit in einem Krankenhaus im Osten Londons am Leben halten, sollten am Mittwoch um 11 Uhr Ortszeit (12 Uhr MESZ) abgeschaltet werden. Es ist noch unklar, ob die Anwälte der Familie mit ihrem Antrag Aussicht auf Erfolg haben.

Passierte es bei einer Internet-Mutprobe?

Im Kampf um das Leben ihres Sohnes sind Archies Eltern in allen gerichtlichen Instanzen gescheitert. Der Supreme Court – das oberste britische Gericht – lehnte am Dienstag einen Antrag ab, mit dem die Eltern die Fortführung der lebenserhaltenden Massnahmen erwirken wollten.

Archie hatte sich bei einem häuslichen Unfall im April schwere Hirnverletzungen zugezogen – womöglich bei einer Internet-Mutprobe. Der Zwölfjährige liegt seither im Koma. Die britischen Gerichte entschieden, dass die Ärzte den Jungen sterben lassen dürfen. Dies sei in seinem besten Interesse, hiess es zur Begründung.

Briten schalten früher ab

Anfang dieser Woche wandte sich Archies Familie noch an einen UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen – dieser forderte daraufhin, die Massnahmen fortzusetzen, bis der Antrag geprüft sei. Die Richter am Supreme Court folgten allerdings der vorherigen Entscheidung des Berufungsgerichts und erklärten, da es keine Aussicht auf eine wirkliche Genesung gebe, würden die lebenserhaltenden Massnahmen nur «das Sterben verlängern». Man treffe diese Entscheidung nicht leichtfertig und spreche den Eltern von Archie «tiefes Mitgefühl» aus.

Der Fall erinnert an ähnliche Auseinandersetzungen um unheilbar kranke Kinder in Grossbritannien. Der finanziell stark unter Druck stehende britische Gesundheitsdienst neigt dazu, lebenserhaltende Massnahmen sehr viel früher zu entziehen, als das in Deutschland der Fall wäre. Zudem werden die Wünsche von Eltern und Angehörigen dabei nicht im selben Masse berücksichtigt. Was im besten Sinne des Patienten ist, entscheiden oft Richter auf Empfehlung von Medizinern. (SDA/noo)

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