Während alle Welt auf die Ukraine und den brutalen russischen Angriffskrieg blickt, rückt eine andere Weltregion immer mehr in den Fokus: Asien – genauer gesagt der Indopazifik. Eine geopolitische Region, die nebst den beiden bevölkerungsreichsten Ländern der Welt – Indien und China – auch Japan, die beiden Koreas, Taiwan und Australien umschliesst. Auch die USA gehören definitionsgemäss zum Indopazifik.
Wie wichtig die Region für das Weltgeschehen ist, zeigen die Besuche europäischer Spitzenpolitikerinnen und -politiker in der Region. Sie alle drückten sich in den vergangenen Wochen und Monaten die asiatische Türklinke in die Hand.
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (64) besuchte im Oktober die Region. Emmanuel Macron (45), der französische Staatspräsident, und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (64) statteten den indopazifischen Ländern Anfang April einen Besuch ab. Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock (42) tat es ihnen in der vergangenen Woche gleich.
Indopazifik ist Schlüsselregion
Baerbock betonte bei ihrem Besuch in Südkorea, dass der Indopazifik eine Schlüsselregion für das 21. Jahrhundert sei. «Wir wollen uns im Indopazifik stärker engagieren», sagte die Grünen-Politikerin und verwies auf die entsprechende Strategie der Bundesregierung.
Für den Westen ist es wichtiger denn je, Verbindungen in der Region zu stärken. Das sieht auch Christian Echle (42), Leiter der Abteilung Asien und Pazifik von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin, so. «Das Gravitationszentrum internationaler Beziehungen verlegt sich in den Indopazifik», erklärt er im Gespräch mit Blick.
Mehr zu China und dem Indopazifik
60 Prozent der gesamten Weltbevölkerung leben im Indopazifik. Wer dort eine Vormachtstellung hat, hat das Sagen über ein globales, wirtschaftliches Zentrum. Das hat auch China erkannt.
«China tritt in der Region immer selbstbewusster und aggressiver auf», so Echle. Deshalb ist es laut dem Experten umso wichtiger, dass der Westen sich nun im Indopazifik bemerkbar macht. Im Angesicht dessen wenden sich Länder wie Japan, die Philippinen und Taiwan Hilfe suchend gen Westen. Die europäischen Spitzenpolitiker rennen also offene Türen ein.
Klima rund um China wird rauer
Mehr denn je sind Kriegsspiele in der indopazifischen Region an der Tagesordnung. Vor zwei Wochen führte China einen simulierten Angriff auf Taiwan durch. Amerikaner und Australier proben auf den Philippinen – dem «Vorhof» Chinas – gemeinsam den Ernstfall. Auch Russland versetzt seine Pazifikflotte in Alarmbereitschaft. Militärische Allianzen werden immer wichtiger.
Mit gutem Grund: Das Klima zwischen den USA und China wird rauer, China droht immer häufiger mit einem militärischen Konflikt mit Taiwan. Steht also eine Eskalation kurz bevor? «Das Vorhersagen des chinesischen Verhaltens in der Region ist ein Blick in die Glaskugel», erklärt Echle. Doch es sei wichtig, dass man sich mit der Frage auseinandersetze.
Im Rahmen des G7-Treffens in Hiroshima (Japan) stellte der japanische Aussenminister Yoshimasa Hayashi (62) klar: Man werde «der Welt die feste Entschlossenheit der G7 demonstrieren, die internationale Ordnung auf Grundlage der Rechtsstaatlichkeit aufrechtzuerhalten».
Es geht um mehr als Wirtschaft – es geht um die Zukunft
Im Indopazifik geht es also um mehr, als nur um wirtschaftliche Verbindungen und neue Allianzen. Es geht um die neue Weltordnung – und wo deren Mittelpunkt sein wird. Laut Experte Echle orientiert sich der globale Süden aktuell zunehmend an nicht-demokratischen Nationen im Indopazifik. Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (77) suchte zuletzt die Annäherung an China – und verurteilte die westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine.
So hat China selbst eine neue Weltordnung entworfen und im März vorgestellt – die «Globale Sicherheitsinitiative» (GSI). Staatschef Xi Jinping (69) hatte sie im April 2022 erstmals präsentiert: Es geht ihm darum, angeführt von China neue Spielregeln für Sicherheit in der Welt zu schaffen. Vor allem bei Schwellenländern und im globalen Süden will Peking die GSI pushen – in Ländern also, die durchaus offen sind für eine Abkehr von der aktuellen, westlich dominierten Weltordnung.
«Nun ist es an der Zeit, dass der Westen dem Rest der Welt beweist, was Demokratien so stark macht», betont Echle. Damit sind nicht nur die Regierungsform, sondern vor allem auch wirtschaftliche Aspekte gemeint. Dafür sei es essenziell, dass Europa «in der Region präsent ist und unsere Ordnungsvorstellungen vertritt». Die grundlegende Frage, die man sich stellen müsse: «Wie wollen wir in Zukunft zusammenarbeiten?»