Die Spannungen zwischen China und Taiwan steigen. Den vorübergehenden Höhepunkt bildete das dreitägige Militärmanöver Chinas in der Taiwanstrasse. Doch auch wenn die chinesischen Schiffe und Kampfjets langsam wieder abziehen – die Angst vor einem bewaffneten Konflikt bleibt.
Ein Krieg zwischen dem süd- und ostchinesischen Meer mag weit entfernt klingen. Doch eine Eskalation zwischen Taiwan und China würde Millionen Menschen im Westen betreffen. Denn Europa und die USA sind abhängig von Taiwan. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Warum ist Taiwan so wichtig für die Welt?
Der Inselstaat Taiwan ist nur rund 36'000 Quadratkilometer gross. Und trotzdem einer der wichtigsten Staaten für die Weltwirtschaft. Wie Simona Grano (44), Taiwan-Expertin an der Uni Zürich, gegenüber Blick erklärt, hat das drei Gründe.
Der wichtigste: Rund 60 Prozent der globalen Halbleiterproduktion befindet sich in Taiwan, so Grano. Von den kleineren Chips werden 92 Prozent in Taiwan hergestellt. «Welche Länder in Zukunft den Zugriff auf diese hoch spezialisierte Industrie haben, wird ausschlaggebend dafür sein, wer technologisch die Oberhand haben wird.»
Weiter hat Taiwan einen «immensen geostrategischen und geopolitischen Wert für die USA und deren Verbündete in der Region», erklärt Grano. Und: «Der Inselstaat beweist, dass eine Gesellschaft, die zum chinesischen Kulturraum gehört, mit demokratischen Werten, Offenheit und Transparenz vereinbar ist.»
Was passiert, wenn China Taiwan überfällt?
Für die Weltwirtschaft wäre ein chinesischer Angriff auf Taiwan fatal. «Für Taiwan wäre es unmöglich, normal weiterzuarbeiten und auch den Rest der Welt mit Halbleitern zu beliefern», so Grano. Der globale Chipmarkt würde zusammenbrechen. «Der Handel wäre blockiert, die Lieferketten unterbrochen und der Welthandel, wie wir ihn kennen, wäre vorbei.»
Auch die Seewege könnten zum Problem werden. Laut US-Aussenminister Antony Blinken (60) fahren jeden Tag rund 50 Prozent der weltweiten Handelsschiffe durch die Taiwan-Strasse. Durch einen Krieg würde diese zentrale Handelsroute durchtrennt – mit weitreichenden Folgen für die globalen Lieferketten.
Gibt es eine Alternative zu Taiwan?
Ja, zumindest teilweise. Südkorea zum Beispiel produziert bereits Halbleiter und Chips. Ganz ersetzen könnten Fabriken im Ausland den Wegfall Taiwans aber erstmal nicht. «Die USA drängen Taiwan darum dazu, Halbleiterwerke in Arizona zu bauen», weiss Grano.
Zudem will die EU 43 Milliarden Euro in neue Chipfabriken investieren, die USA sogar 280 Milliarden Dollar, schreibt «Spiegel». Bis diese Fabriken stehen, dauert es aber noch drei bis vier Jahre, mindestens. Für Taiwan wäre das im Hinblick einer chinesischen Invasion nicht gut, warnt Grano: «Viele befürchten, dass sie dann für die USA weniger wichtig und damit entbehrlicher werden könnten.»
Dient die Chipproduktion als «Schutzschild» gegen China?
Auch China ist abhängig von der taiwanesischen Chipproduktion. 2021 war China das wichtigste Exportland für den Inselstaat. Könnte das also China von einer Invasion abhalten? Nur bedingt, schätzt Grano. China müsste eigentlich zuerst sicherstellen, dass es nicht mehr von der Taiwan-Produktion abhängig ist. Aber: «Die Wiederherstellung der territorialen Souveränität Chinas hat eine ideologische Komponente, die die Partei dazu veranlasst, pragmatische Überlegungen beiseite zu schieben.»
Wie muss der Westen auf einen Angriff reagieren?
Westliche Länder, auch die Schweiz, dürften sich, so Grano, nicht neutral verhalten, wenn China Taiwan angreift. Sie müssten den Angriff verurteilen – vielleicht sogar Sanktionen gegen China verhängen. Das könnte teuer werden, schliesslich handeln die EU, USA und China viel miteinander und sind wirtschaftlich voneinander abhängig.
Die Folgen jedes Versuchs einer erzwungenen Vereinigung müssten Peking klar sein, so Grano: «Dauerhaft feindliche Beziehungen zum Westen, die Konsolidierung einer Koalition, die entschlossen ist, Chinas Macht im indo-pazifischen Raum einzudämmen, und massive, koordinierte wirtschaftliche Bestrafung.»