Auf einen Blick
Nordkoreanische Soldaten sterben für den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Das geht aus Berichten der ukrainischen und südkoreanischen Regierung hervor: Sechs Nordkoreaner kamen bei einem ukrainischen Raketenangriff auf eine von Russland besetzte Region im Donbass vergangene Woche ums Leben. Mit welchem Auftrag sie sich dort aufhielten, ist aktuell noch unklar. Am Donnerstag dementierte Kremlsprecher Dmitri Peskow (56) diese Berichte.
Laut dem südkoreanischen Verteidigungsminister Kim Yong Hyun (65) sei dies allerdings weder das erste Mal, dass sich nordkoreanisches Militärpersonal im Kriegsgebiet aufhält, noch das letzte Mal. Denn Nordkoreas Herrscher Kim Jong Un (40) erhofft sich eine dicke Belohnung für seine Russland-Treue.
Nordkorea und Russland spannen zusammen
Die Beziehung Russlands und Nordkoreas mag auf den ersten Blick unausgeglichen wirken. Nordkorea ist eines der ärmsten Länder der Welt, doch es verfügt über etwas, das die Freundschaft zwischen Kremlchef Wladimir Putin (72) und Nordkoreas «Oberstem Führer» Kim Jong Un begünstigt hat: militärische Ausrüstung.
Im Juni 2024 unterzeichneten die beiden Staatsoberhäupter einen neuen Militärpakt. Damit wurde die engste Zusammenarbeit der beiden Länder seit dem Kalten Krieg besiegelt. Russland und Nordkorea versprechen sich unter anderem gegenseitige militärische Unterstützung, sollte eines der beiden Länder angegriffen werden. Kurz darauf entsandte Kim laut Berichten Militäringenieure in von Russland besetzte Gebiete, um beim Wiederaufbau zu helfen. Dadurch konnte Russland seine eigenen Soldaten zurück an die Front schicken, um gegen die Ukraine zu kämpfen.
Nordkorea unterstützt Russland auch materiell. Seit 2022 sollen 11'000 Schiffscontainer voller Munition nordkoreanische Häfen verlassen und in Russland angedockt haben. Dies berichtet das US-Aussenministerium. Es wird geschätzt, dass Nordkorea im vergangenen Jahr etwa die Hälfte der auf dem Schlachtfeld eingesetzten Grosskaliber geliefert hat, insgesamt über zwei Millionen Schuss. Als Grosskaliber gelten Waffen ab 9,53 Millimeter.
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Waffenlieferungen retteten Russland
Russland erhielt auch Dutzende KN-23-Raketen von Nordkorea. Diese wurden im vergangenen Winter in der Ukraine eingesetzt. Laut dem Sicherheitsdienst der Ukraine starben bereits Dutzende Personen aufgrund dieser Raketen. Im August kamen sie bei einem Angriff auf die ukrainische Hauptstadt Kiew zum Einsatz. Die KN-23 ist eine ballistische Kurzstreckenrakete, die erstmals 2019 getestet und mit den russischen Iskander-M-Raketen verglichen wurde. Laut «The Guardian» wurden sie eigens für Russland in so grosser Menge produziert.
Nur dank der Waffenlieferungen habe Russland den Krieg überhaupt so lange führen können, erklärt der renommierte amerikanische Militäranalyst Michael Kofman (42) gegenüber «Foreign Policy». Dank Nordkorea konnte Russland im vergangenen Jahr dreimal so viel Artillerie abfeuern wie die Ukraine – die währenddessen auf weitere Munitionslieferungen aus dem Westen warten musste.
Was hat Kim Jong Un davon?
Aber was erhofft sich Kim von dieser Unterstützung für Russland? Einerseits einen diplomatischen Vorteil. Nordkorea ist vom Rest der Welt komplett abgeschottet, hat kaum wirtschaftliche oder diplomatische Beziehungen zu anderen Staaten – abgesehen von China. Durch die Beteiligung am Krieg erhält Nordkorea die Möglichkeit, sein Ansehen bei einem mächtigen internationalen Verbündeten zu stärken. Eine der wenig beachteten Klauseln im gegenseitigen Verteidigungspakt vom Juni war das Versprechen Russlands, Nordkorea in internationale Clubs wie BRICS (Staatenvereinigung von Russland, China, Indien, Brasilien) zu bringen.
Gleichzeitig ermöglicht Russland Nordkorea, Waffen zu testen und Kampferfahrung für seine Truppen zu sammeln. Besorgniserregend ist das Ausmass, in dem Russland bereit sein könnte, Nordkorea mit fortschrittlicher Militärtechnologie zu versorgen. Nordkorea könnte als Gegenleistung Kampfjets, Panzer oder Raketentechnologie von Russland fordern. Tatsächlich schienen einige der nordkoreanischen Raketen, die in diesem Jahr bei russischen Angriffen auf die Ukraine eingesetzt wurden, direkte Kopien oder Abwandlungen älterer sowjetischer Entwürfe zu sein.