Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu (68) ist am Dienstag zu einem dreitägigen Besuch in Nordkorea eingetroffen. Offiziell ist er zum 70. Jahrestag des Endes des Koreakrieges angereist. Geplant ist am Donnerstag eine grosse Militärparade, ähnlich wie man sie aus Moskau kennt.
Doch Schoigu wird in Pjöngjang nicht nur feiern, er wird wohl auch militärische Hilfe für den Krieg in der Ukraine erbitten. So lässt der Kreml verlauten: «Der Besuch wird zur Stärkung der russisch-nordkoreanischen Militärbeziehungen beitragen.»
Der amerikanisch-südkoreanische Doppelbürger Kenneth Bae (54), der 2012 wegen Missionierens in Nordkorea 735 Tage Zwangsarbeit leisten musste, sagt zu Blick: «Was auch immer Russland tun wird, Nordkorea wird es unterstützen und möchte seinen Beitrag leisten.»
Er könne sich vorstellen, dass Nordkorea im Tausch gegen Lebensmittel und andere Güter Waffen verkaufen sowie Truppen an die Front in der Ukraine senden könnte. Bae: «Nordkorea hat Russland seit dem Korea-Krieg immer als engen Verbündeten betrachtet. Daran hat sich nichts geändert.»
Wo Nordkorea helfen könnte
Nordkoranische Waffen und Soldaten für Putin? Blick zeigt, wo Diktator Kim Jong Un (39) den Russen helfen könnte und wie realistisch diese Unterstützung ist.
Munition
Im Herbst 2022 hatte das Weisse Haus in Washington mitgeteilt, dass Nordkorea den Russen Millionen von Artilleriegranaten lieferte. Im Zentrum stehen 152-Millimeter-Artilleriegeschosse, die Nordkorea in Massen herstellt und die mit den Waffen aus der Sowjetzeit kompatibel sind.
Waffenexperte Joost Oliemans, Mitautor des Buches «The Armed Forces of North Korea» geht davon aus, dass Nordkorea Schoigus Besuch nutzen wird, um einen Teil seiner Bestände zu einem hohen Preis abzustossen. Ein Geschoss dürfte circa 1000 Dollar kosten.
Nordkorea-Experte Rüdiger Frank von der Universität Wien relativiert aber. Er sagt zu Blick: «Eine signifikante militärische Unterstützung Russlands durch Nordkorea, etwa durch die Lieferung grosser Mengen von Munition, ist wenig wahrscheinlich. Hier geht es eher um Symbolik.» Pjöngjang hatte die Lieferungen stets dementiert.
Soldaten
Im Frühling berichtete das russische Staatsfernsehen, dass 500’000 nordkoreanische Soldaten die Russen im Ukraine-Krieg unterstützen sollten. Auf einen Aufruf, sich freiwillig für den Dienst zu melden, hätten sich sogar 800’000 Mann gemeldet, hiess es.
Asien-Experte Hanns G. Hilpert von der Stiftung Wissenschaft und Politik Berlin sagt: «Der Einsatz nordkoreanischer Truppen ist sehr unwahrscheinlich. Es würde sich nämlich herausstellen, dass Nordkoreas Armee unterernährt ist, teilweise fast schon kampfunfähig.» Denkbar sei aber, dass nordkoreanische Arbeiter nach Beendigung des Ukraine-Krieges die Russen beim Wiederaufbau von Infrastruktur unterstützen würden.
Raketen
Ein Schwergewicht legt Diktator Kim Jong Un auch auf sein Raketenprogramm. Im vergangenen Jahr wurden mehrere Dutzend Tests mit ballistischen Raketen durchgeführt. Pjöngjang ist besonders darum bemüht, das Programm zu diversifizieren.
So investiert das Land laut Eric J. Ballbach von der Stiftung Wissenschaft und Politik in die Entwicklung neuer Raketentypen, darunter Trägersysteme für mehrere Sprengköpfe, Hyperschallraketen, U-Boot-gestützte ballistische Raketen, manövrierfähige Langstrecken-Marschflugkörper sowie feststoffbetriebene, ballistische Kurzstreckenraketen. Auch das Atomprogramm wird vorangetrieben.
Hanns G. Hilpert: «Nordkorea ist zwar eine Nuklearmacht, aber die konventionelle Ausrüstung ist total veraltet. Eine Lieferung alter Bestände an Russland macht wenig Sinn. Zudem benötigt Nordkorea seine gut funktionsfähige Artillerie selbst zur Abschreckung Südkoreas und der USA.»
Mit China zusammenspannen
Dass Schoigu nach Pjöngjang reist, hat für Frank und Hilpert vor allem eine symbolische Bedeutung. «Das Verhältnis zwischen den beiden Staaten ist von gegenseitigem Misstrauen und Verachtung geprägt. Die Zusammenarbeit ist nur eine Zweckbündnis», sagt Hilpert.
Für Frank dürfte Nordkorea Teil einer Gegenallianz zur Nato werden. «Da die Nato ihren Fokus neuerdings offensiv auf den Asiatisch-Pazifischen Raum erweitert, wollen Moskau und Peking ein Gegengewicht schaffen, bei dem auch Nordkorea eine Rolle spielen könnte.»
Schon nach der russischen Invasion in die Ukraine hatte das weithin abgeschottete Nordkorea seine politische Unterstützung für Putins Kurs zugesichert. So erkannte die Führung in Pjöngjang im Juli des vergangenen Jahres nach Russland und Syrien ebenfalls die von Kiew abtrünnigen Gebiete Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten an. Die Ukraine hatte daraufhin die diplomatischen Beziehungen zu Nordkorea abgebrochen.