Darum gehts
Ist es Gottesfurcht? Oder sind es schlicht die guten Erinnerungen an seine Papst-Audienz vor sieben Jahren? Was auch immer den Ausschlag gegeben hat: Den Vatikan hat Donald Trump (78) nicht auf seine Strafzoll-Liste gesetzt. Papst Franziskus (88) kommt glimpflich davon.
Das (und nur das) hat der Pontifex mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin (72) gemein. Auch Russland ist eines von nur gerade einmal elf Ländern, die von Trumps Zoll-Wahnsinn verschont bleiben. Für ETH-Militärökonom Marcus Keupp (47) ist das «ein bisschen verdächtig».
Der offiziellen Begründung des Weissen Hauses, weshalb man Putin und Konsorten von den vermeintlich für «die ganze Welt» geltenden Strafzöllen verschont, glaubt Keupp jedenfalls nicht. Trump-Sprecherin Karoline Leavitt (27) hatte behauptet, gegen Russland brauche es keine Strafzölle, weil man wegen der bestehenden Sanktionen «keinen nennenswerten Handel» mehr mit Moskau betreibe.
Das Vogelfedern-Land bleibt verschont
«Das ist definitiv falsch», sagt Keupp, Privatdozent für Militärökonomie an der Militärakademie der Schweizer Armee an der ETH Zürich. Ein Blick in die Handelsbilanz zeigt: 2024 hatten die USA trotz der bestehenden Sanktionen Waren von mehr als drei Milliarden Dollar aus Russland importiert, darunter Düngemittel, Metall und atomare Brennstäbe. Gleichzeitig exportierte Amerika Waren im Wert von rund einer halben Milliarde Dollar nach Russland.
Zieht man die Formel heran, die Trump zur Berechnung der Strafzölle verwendet hat (Amerikas Handelsdefizit dividiert durch die Importe, dividiert durch zwei), hätte Washington Moskau eigentlich mit einer saftigen 40-Prozent-Steuer belegen müssen. Stattdessen: freie Fahrt für Putins Handelsschiffe. Kommt hinzu, dass Russland aktuell mit den Amerikanern über die Lockerung bestimmter Wirtschaftssanktionen verhandelt, was die russischen Exporte nach Übersee weiter ansteigen lassen könnte. Auch diese Güter wären – Stand jetzt – strafsteuerbefreit.
Militärökonom Keupp erklärt: «Länder, die stets im prorussischen Sinne gehandelt haben, sind ironischerweise von den Zöllen ausgenommen.» Dazu gehören Nordkorea, Kuba, Belarus, die Seychellen und Burkina Faso. Der Handel zwischen den Vereinigten Staaten und dem letztgenannten, mausarmen westafrikanischen Land ist zwar mit nur 54 Millionen Dollar (darunter laut dem US-Zollamt Vogelfedern im Wert von 991 Dollar) sehr überschaubar, aber immer noch deutlich grösser als der Handel mit Dutzenden von Nationen, die nichtsdestotrotz mit hohen Zöllen abgestraft wurden.
Warum also die Ausnahme für Burkina Faso? Was auffällt: In jüngster Zeit hat sich das Land extrem Russland-freundlich verhalten. Ibrahim Traoré (37), der sich im September 2022 an die Macht putschte, gilt als enger Verbündeter von Putin. Die beiden haben sich im Juli 2023 in Russland persönlich getroffen. Traoré versicherte dem Kreml-Herrscher damals «die Freundschaft zwischen unseren Völkern – gerade in diesem Moment».
Wie der Zollhammer den Ukraine-Krieg beenden könnte
Im Dezember 2023 eröffnete Russland eine Botschaft in der burkinischen Hauptstadt Ouagadougou. Kurz darauf besuchte der russische Vize-Verteidigungsminister Yunus-Bek Yevkurov Burkina Faso, um unter anderem über militärische Zusammenarbeit und «die Ausbildung von Piloten» zu sprechen. Und jetzt wird Burkina Faso von Trumps Zollhammer verschont. «Ich will da jetzt nicht allzu viel reininterpretieren. Aber ein bisschen verdächtig sieht das schon aus», sagt Marcus Keupp.
Sollte hinter Trumps offenkundig selektiver Zollpolitik tatsächlich ein pro-russisches Kalkül stehen, könnte das mittelfristig aber nach hinten losgehen. Falls die USA die angekündigten und theoretisch ab kommendem Mittwoch geltenden Zölle durchsetzt, werde das zu einer weltweiten Rezession führen, glaubt der Militärökonom. «Die niedrigen Ölpreise, die wir dann auf Jahre hinaus bekommen würden, wären für Russland tatsächlich gefährlich.»
Mit seinen Öl- und Gasexporten finanziert Putin seinen Krieg gegen die Ukraine. Sinken die Ölpreise, gehen ihm rasch die Mittel für seine Schlachten aus. Wenn er auch nicht gewollt ist: Mindestens einen angenehmen Nebeneffekt hätte Trumps Steuerwahn dann immerhin verursacht.
Und der Vatikan? Er steht nicht im Verdacht, Moskau-nah oder gar Putin-freundlich zu sein. Trumps vermeintlich Russland-schonende Zollpolitik erklärt sein Fehlen auf der Liste nicht. Weshalb der mächtigste Mann der Welt Petrus' Stellvertreter auf Erden zollfrei gewähren lässt, bleibt sein Geheimnis.