Auf einen Blick
Die Ereignisse überschlagen sich: Am Freitag demütigt Trump Selenski bei dessen Besuch im Weissen Haus – Rohstoffdeal geplatzt. Am Montagabend legt der US-Präsident noch einen drauf: Er stoppt per sofort die US-Militärhilfe für die Ukraine!
Zuvor hatte Wolodimir Selenski (47) erneut Trumps Zorn auf sich gezogen: Gegenüber der Presseagentur AP hatte der ukrainische Präsident gesagt, das Ende des Kriegs liege noch «in weiter, weiter Ferne». Trump polterte auf Truth Social zurück: «Dies ist die schlimmste Aussage, die Selenski hätte machen können, und Amerika wird sich das nicht mehr lange gefallen lassen!» Experten vermuten: Selenski hat nur noch eine einzige Möglichkeit, wie er Trump vielleicht besänftigen – und die Waffenlieferungen retten könnte.
Muss Selenski jetzt zurücktreten?
Das Weisse Haus gab bisher nicht bekannt, unter welchen Bedingungen die USA die Militärhilfe wieder aufnehmen würden. Gegenüber dem «Wall Street Journal» erklärte eine Quelle aus dem Trump-Umfeld: «Der Präsident hat deutlich gemacht, dass es ihm um den Frieden geht. Wir brauchen unsere Partner, die sich ebenfalls für dieses Ziel einsetzen. Wir halten inne und überprüfen unsere Hilfe, um sicherzustellen, dass sie zu einer Lösung beiträgt.»
Russland-Experte Ulrich Schmid (59) von der Universität St. Gallen betont, dass Selenski selbst seinen Rücktritt angeboten habe, falls damit ein Nato-Beitritt der Ukraine ermöglicht werde. «Die Trump-Administration scheint allerdings ohne Gegenleistungen auf einen Rücktritt von Selenski hinzuarbeiten», sagt Schmid. Damit stelle sich Trump ein weiteres Mal an die Seite von Putin, der ebenfalls einen Rücktritt von Selenski fordert.
Reicht es, wenn Selenski sich reuig zeigt und den Rohstoffdeal unterschreibt?
Es ist aktuell unklar, ob eine Unterzeichnung des Vertrags über den Abbau von Seltenen Erden in der Ukraine ausreichen würde, um Trump umzustimmen. Gemäss «New York Times» könnten die Waffenlieferungen dann wieder aufgenommen werden, wenn Trump überzeugt wäre, dass die Ukraine ernsthafte Bemühungen um Friedensverhandlungen mit Russland unternehme.
Ulrich Schmid hält es für wahrscheinlich, dass der Deal über die Rohstoffe nur ein Vorwand war, damit die Trump-Administration Selenski die Schuld für das Scheitern von Friedensverhandlungen in die Schuhe schieben könne. «Der gesamte Rohstoffdeal hat ja nichts mit Friedensverhandlungen zu tun», betont der Professor für Osteuropastudien. Bis jetzt sei zudem unklar, was die US-Gegenleistung beim Rohstoffdeal wäre. «Die Trump-Administration hat wolkig von ‹ökonomischen Sicherheitsgarantien› für die Ukraine gesprochen.» Trump habe versucht, Selenski weiszumachen, dass Russland die Ukraine nicht weiter angreifen würde, wenn amerikanische Spezialisten in der Ukraine arbeiten würden.
Wäre Waleri Saluschni mit Trump besser kompatibel?
Waleri Saluschni (53) wird mancherorts als möglicher Nachfolger von Selenski gehandelt. Seit Mai 2024 ist er ukrainischer Botschafter in London.
Ulrich Schmid glaubt nicht, dass ein anderer ukrainischer Präsident Trumps russlandfreundliche Haltung ändern würde. «Bis heute ist keine einzige US-Forderung an die Adresse des Kremls bekannt geworden», erklärt Schmid. Zudem müsste für Präsidentschaftswahlen das Kriegsrecht in der Ukraine aufgehoben werden. Dabei könnten Wahlen kaum in einer demokratisch legitimen Form durchgeführt werden – aufgrund der unklaren Situation in besetzten Gebieten und der grossen Zahl von ukrainischen Flüchtlingen im Ausland.
Steht Trump wirklich auf der Seite von Putin?
Halten die USA an ihrer Abkehr von der Ukraine fest, so dürfte primär Wladimir Putin (72) davon profitieren, indem er weitere Landgewinne im Kriegsland erzielt. Die «New York Times» kritisiert, Trump habe sich zuletzt zunehmend auf die Seite von Putin gestellt. Auch habe er dessen Darstellung des Krieges in der Ukraine übernommen, indem er etwa behauptet habe, die Ukraine habe den Krieg begonnen. Auch Russland-Experte Schmid kommt zum Schluss: «Die Ereignisse der letzten Woche lassen kaum einen anderen Schluss zu.»
Kann Europa etwas tun, um Trump umzustimmen?
Hier sieht Russland-Experte Schmid keinen einfachen Weg. Er sagt: «Europa muss sich damit abfinden, dass von den USA keine glaubwürdige und auch nur annähernd gerechte Friedensinitiative ausgeht.»
Was heisst das für die Zukunft der Nato?
Bereits am Samstag hatte Trump-Intimus Elon Musk (53) auf seiner Social-Media-Plattform X positiv auf einen Beitrag reagiert, der einen Ausstieg der USA aus der Nato forderte.
«Ich mache mir Sorgen, dass wir die letzten Tage der Nato erleben könnten», sagte der frühere US-Marineadmiral James Stavridis (70), der oberster Befehlshaber der Nato war, gegenüber dem «Wall Street Journal». Stavridis sagte, das transatlantische Bündnis stehe «vielleicht nicht kurz vor dem Zusammenbruch, aber ich höre es lauter knarren als je zuvor in meiner langen Karriere beim Militär».
Ulrich Schmid erinnert daran, dass Trump schon in seiner ersten Präsidentschaft die Glaubwürdigkeit der Nato unterminiert habe, indem er die Bündnistreue der USA infrage stellte. «Trump ist ein Sicherheitsrisiko für die Nato», sagt der Slawist.