Auf einen Blick
Das wars für Olaf Scholz (66) und die Ampelregierung. Der Bundestag hat am Montagnachmittag dem deutschen Kanzler in einer Abstimmung das Vertrauen entzogen. Damit wird der Weg frei für Neuwahlen, die am 23. Februar 2025 stattfinden sollen. Bis dahin bleibt die aktuelle Regierung geschäftsführend im Amt, das heisst, dass sie keine neuen Gesetze verabschieden kann.
Mit dem Entscheid über die Vertrauensfrage ist auch bereits der Wahlkampf eingeläutet. Wie heiss er verlaufen wird, zeigte sich in den wutgeladenen Reden. Scholz, der wieder als Kanzler kandidiert, bezichtigte die FDP der «wochenlangen Sabotage». CDU-Chef Friedrich Merz (69) wiederum rechnete mit dem Kanzler ab: «Sie blamieren Deutschland.» Und AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel (45) warnte: «Wer Merz wählt, wählt den Krieg.»
Es sind vor allem fünf Themen, die im Hinblick auf die Neuwahlen im Zentrum stehen – sie könnten die Zukunft von Deutschland entscheiden.
Die neue Koalition
Die Ampel – Rot für SPD, Gelb für FDP und Grün für die Grünen – ist Geschichte. Die Deutschen wollen einen Farbwechsel. Praktisch sicher ist, dass die Union von CDU/CSU gewinnen und mit Parteichef Friedrich Merz den Kanzler stellen wird. Bei Umfragen erreicht sie zurzeit 31,7 Prozent. Ihr folgen die AfD (18,5), SPD (16,5), Grüne (12,7), BSW (5,7), FDP (3,9) und Linke (3).
Die grosse Frage ist: Mit wem wird die Union eine Partnerschaft eingehen? Obwohl die Nummer zwei, kommt die AfD wegen ihrer rechtsextremen Ausrichtung nicht infrage.
Um eine absolute Mehrheit zu gewinnen, braucht es wohl die SPD sowie einen dritten Partner, der die Regierung färben würde. Das könnte die grüne Partei, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) oder die FDP sein.
Die unbeliebten Flüchtlinge
Gerade nach dem Umbruch in Syrien wird das Thema Flüchtlinge an Aktualität gewinnen. Die AfD ist dank ihrer scharfen Positionierung schon lange im Aufwind. Andere Parteien haben ebenfalls auf den Kurs eingeschwenkt, so die CDU/CSU, die eine Verschärfung sowie eine schnelle Rückführung der Syrer fordert.
Auch die linke Seite hat begriffen, dass eine scharfe Asylpolitik Punkte bringt. So plädiert die SPD – gegen internen Widerstand – nun für sichere EU-Grenzen und die Erfassung von Flüchtlingen an Hotspots.
Das liebe Geld
Es war der Streit um die Finanzen, der zum Bruch der Ampel geführt hat. SPD und Grüne wollten die Schuldenbremse aushebeln und mehr Geld ausgeben, während Lindner die Sparbremse ziehen wollte.
Die bisherige links-geprägte Ausgabenpolitik verstehen viele Deutsche nicht. In der Kritik steht vor allem das Bürgergeld, das Hartz IV ablöste. Kritisiert wird, es sei zu grosszügig und motiviere dazu, sich in die «soziale Hängematte» zu legen, statt arbeiten zu gehen. Mit andern Worten: zu viel Geld für Soziales, während Brücken zusammenbrechen und die Bahn steckenbleibt.
Auch auf der Einkommensseite sind Veränderungen gefordert. Viele Deutsche leiden unter der grossen Steuerlast. Es gibt Stimmen, die nach einem gerechteren und transparenteren Steuersystem rufen.
Der Umgang mit Russland
Es ist offensichtlich: Die ehemals breite Solidarität mit der Ukraine nimmt ab. Die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht sind auch deshalb im Aufwind, weil sie weitere militärische Hilfen ablehnen. AfD-Chef Tino Chrupalla (49) geht sogar so weit, dass er die deutsche Nato-Mitgliedschaft infrage stellt und sagt: «Russland hat diesen Krieg gewonnen.»
Auch bei der Union scheint die Euphorie vorüber zu sein. Friedrich Merz will jetzt auf einmal nichts mehr von einer stärkeren Militärhilfe wissen. Eine massive eigene Aufrüstung hingegen stösst bei den meisten auf Rückhalt.
Die gefährliche Wirtschaftskrise
Der grosse Wirtschaftsmotor Europas ist ins Stocken geraten. Die Autoindustrie hat wegen der Konkurrenz aus China und einer Nachfrageflaute bei E-Autos Massenentlassungen angekündigt. Auch andere Sparten wie die Stahlindustrie lahmen, kämpfen gar ums Überleben.
Der von Scholz geschasste FDP-Finanzminister Christian Lindner (45) begründet den ökonomischen Absturz im Interview mit Blick: «Wir haben bei Klimaschutz und Energie den weltweit einmaligen Weg gewählt, ohne Kernenergie fünf Jahre schneller sein zu wollen als der Rest der EU.» Und für ihn ist klar, dass Deutschland nicht länger «rumscholzen» könne, sondern eine neue Politik brauche.