Militärjustiz nimmts zur Kenntnis
Ukrainische Elite-Einheit will Schweizer Söldner aufnehmen

Der gebürtige Zürcher Jona Neidhart ist seit einer Woche zurück im Kriegsland. Seinem Ziel, in eine ukrainische Elite-Einheit aufgenommen zu werden, ist er einen grossen Schritt näher gekommen.
Publiziert: 04.01.2025 um 15:45 Uhr
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Aktualisiert: 04.01.2025 um 16:29 Uhr
Der Schweizer Ukraine-Söldner Jona Neidhart posiert in Lwiw neben einem Werbeplakat der berüchtigten Dritten Sturmbrigade.
Foto: Jona Neidhart

Auf einen Blick

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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Seit einer Woche ist der Schweizer Ukraine-Söldner Jona Neidhart (37) wieder im Kriegsland. Sein Ziel: mit einer ukrainischen Elite-Einheit so rasch wie möglich zurück an die Front. «Dem Ziel bin ich schon einen grossen Schritt näher», erzählt Neidhart am Freitag gegenüber Blick.

Unmittelbar nach seiner Ankunft hat sich der gebürtige Zürcher, der zwischen 2022 und 2024 bereits einmal zwei Jahre lang als Teil der Internationalen Legion in der Ukraine gekämpft hatte, bei einem Rekrutierungszentrum in der Westukraine gemeldet. «Die Azow-Brigade, die Dritte Sturmbrigade und auch die als «Da Vinci Wolves» bekannte Erste Sturmbrigade können sich vorstellen, mich aufzunehmen», sagt Neidhart.

Wenn der derzeit laufende Hintergrundcheck des ukrainischen Geheimdienstes nichts Auffälliges zutage bringt, ist der Weg zurück an die Front für ihn frei. «Ich bin bereit, für die Ukraine und für unsere Werte zu sterben, wenn es sein muss», sagt Neidhart.

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Der Schweizer Ukraine-Söldner Jona Neidhart posiert in Lwiw neben einem Werbeplakat der berüchtigten Dritten Sturmbrigade.
Foto: Jona Neidhart

Militärjustiz hat nicht alle kämpfenden Schweizer auf dem Radar

Der 37-Jährige war nach über zwei Jahren als Maschinengewehrschütze in der ukrainischen Armee im vergangenen Juni in die Schweiz zurückgekehrt und hatte sich der Polizei gestellt. Militärdienst für eine fremde Armee zu leisten, ist laut Schweizer Gesetz illegal. Bei einer Verurteilung drohen mehrjährige Haftstrafen. Die Schweizer Militärjustiz hatte aus dem Blick von Neidharts Kriegsdienst erfahren und umgehend ein Verfahren gegen ihn eingeleitet.

«Das Verfahren ist noch immer hängig, die Voruntersuchung ist eröffnet», bestätigt Militärjustiz-Sprecherin Larissa Goldschmid auf Anfrage. Wann und ob es zu einem Urteilsspruch kommen könnte, lasse sich derzeit noch nicht sagen. Ob Neidharts erneute Ausreise in die Ukraine und seine mögliche Rückkehr an die militärische Front Auswirkungen auf das Verfahren hätten, liege im Ermessen des Untersuchungsrichters.

Klar ist: Neidhart will sich nach dem Ende des Krieges erneut den Schweizer Behörden stellen. «Falls ich überlebe», schiebt er nach. Im Juni hatte er der zuständigen Stelle seine handgeschriebenen Kriegstagebücher, sein ukrainisches «Militärbüechli» und diverse Abzeichen und Diplome der ukrainischen Armee übergeben. «Ich will nichts verheimlichen. Ich stehe zu meinem Entscheid. Ich finde es beschämend, dass die Schweiz den Einsatz ihrer Staatsbürger für die Ukraine nicht würdigt.»

13 Verfahren hat die Militärjustiz seit Wladimir Putins (72) Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 gegen Schweizer Staatsbürger eingeleitet, die auf Seite der Ukraine gekämpft haben oder immer noch kämpfen. Blick weiss: Die Schweizer Behörden haben nicht alle helvetischen Ukraine-Kämpfer auf dem Radar. Die Dunkelziffer von Schweizer Soldaten in Kiews Diensten dürfte deutlich höher liegen.

Ukrainer staunen über Schweizer Justiz

Sollte Jona Neidhart oder einer der anderen Legionäre je von einem Militärgericht verurteilt werden, stünde es ihnen offen, beim Bundesrat ein Gnadengesuch einzureichen. Die Schweizer Landesregierung müsste sich dann offiziell dazu äussern, wie sie zum Kampf ihrer Bürger gegen die völkerrechtswidrig handelnden russischen Angreifer steht. Eine diplomatisch heikle Angelegenheit, die weitere Kratzer im blätternden Neutralitätslack hinterlassen könnte.

Bis dahin dürfte es allerdings noch eine ganze Weile dauern. Statt einfach abzuwarten, will Neidhart lieber weiterkämpfen: für Gerechtigkeit, für die Demokratie, gegen die Tyrannei, wie er sagt. «Ich bin glücklich, dass ich wieder hier sein darf.» Der Empfang in der Ukraine sei äusserst herzlich gewesen. «Ich habe im Rekrutierungszentrum alte Freunde wieder getroffen. Sie waren sehr besorgt, als sie im vergangenen Sommer von meiner Festnahme in der Schweiz gehört hatten.»

Dass die Eidgenossenschaft Bürger dafür bestrafe, dass sie sich Putins Schergen in den Weg stellten, könne in der Ukraine niemand verstehen. Auch der Bündner SP-Nationalrat Jon Pult (40) versteht das nicht. Mit einer parlamentarischen Initiative fordert er deshalb eine Amnestie für alle Schweizer Ukraine-Kämpfer.

Wie lange die Kämpfe in der Ukraine andauern werden, ist unklar. Sowohl Kiew als auch Moskau haben jüngst ihre Bereitschaft für Verhandlungen unterstrichen. «Auch nach dem Kampfende bliebe viel zu tun», sagt Jona Neidhart. Minenräumung, Sicherung einer möglichen Waffenstillstandslinie, Wiederaufbau in gefährlichen Zonen: Ein baldiges Ende des Schreckens ist nicht in Sicht.

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