Militärexperte über Putins Armee
Russland hat Munition für mehrere Jahre – aber ein Problem

Russland hat genügend Munition und löst sein Personalproblem geschickt. Das glaubt zumindest der britische Militärexperte Jack Watling. Dem Vorgehen des Westens bei den Waffenlieferungen steht er kritisch gegenüber.
Publiziert: 08.07.2022 um 16:13 Uhr
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Aktualisiert: 09.07.2022 um 11:40 Uhr
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Russland hat noch jahrelang genug Munition.
Foto: IMAGO

Schon seit mehr als vier Monaten führt Russland Krieg in der Ukraine. Und obwohl Putins Truppen zuletzt die ukrainische Region Luhansk erobern konnten, sind viele von der fehlenden Übermacht der Invasoren überrascht.

Die russische Armee musste sich nach fehlenden Erfolgen aus Gebieten wie Kiew zurückziehen, um sich auf die Ostukraine zu konzentrieren. Militärexperte Jack Watling ist sich im Interview mit dem «Spiegel» sicher: «Seit der Vorstoss auf Kiew gescheitert ist, herrscht chronischer Personalmangel.»

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Dem britischen Militärkenner zufolge setzen die russischen Truppen deshalb jetzt Söldner und Freiwillige ein. Das sei aber nicht der einzige Grund. «Es ist politisch weniger kostspielig, wenn sie getötet werden», erklärt Watling. So könne man das Risiko von Personalverlust geschickt auf fremde Kämpfer abwälzen.

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Gelieferte Waffen helfen der Ukraine kaum

Der Brite glaubt ohnehin, dass die russischen Streitkräfte besser aufgestellt sind, als man im Westen glaubt. So hätten Putins Truppen «ungelenkte Artilleriemunition auf Jahre hinaus». Nur an präzisionsgelenkter Munition fehle es den Russen. An Material mangelt es nicht. Dafür haben die Russen ein anderes Problem. «Das Risiko liegt in ihrer Logistik.» Das heisst: Die Waffen und Munition auch tatsächlich an die Front zu bringen.

Viele Militärexperten glauben, dass sich die Ukraine mit den westlichen Waffenlieferungen auf Dauer einen Vorteil verschaffen kann. Dem steht Jack Watling allerdings kritisch gegenüber.

«Wir haben erlebt, dass Länder fast alles, was sie auf Lager haben, stückweise verschenkt haben», erklärt der Brite. «Was wir ausser von einigen wenigen Ländern nicht gesehen haben, ist die Bereitstellung einer einzigen militärischen Fähigkeit in kritischer Grössenordnung.»

Watling glaubt, dass viele gelieferte Waffen aus dem Westen der Ukraine gar nichts bringen. Wegen der niedrigen Stückzahl setze die Ukraine die Waffen nämlich permanent ein. Weil man dann aber nicht rotieren könne, sei auch eine Wartung der Kriegsgeräte nicht möglich.

«Ein logistischer Albtraum»

Das Hauptproblem ist für den Militärexperten deshalb «der zu geringe Umfang und die mangelnde Koordination zwischen den Verbündeten». Weil die westlichen Kriegsgeräte unterschiedliche Munition, Schulungen und Wartungsverfahren benötigen, sei dies «ein logistischer Albtraum» für die Ukraine.

Jack Watling ist sich sicher, dass die Ukraine jetzt Nachschub in grösserem Umfang aus dem Westen benötigt. Vor allem Raketenwerfer des Typs MLRS und die dazugehörige Munition seien wichtig. Ansonsten drohe ein langer Zermürbungskampf, «bei dem viele ukrainische Soldaten sterben werden». (obf)

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