Ausschaffung krimineller Ausländer, Ausreiseprämien, Einschränkung des Familiennachzugs: Schweden stellt seine Ausländerpolitik auf den Kopf, eifert der SVP nach. Denn statt auf Willkommenskultur setzt die 2022 gewählte bürgerliche Regierung jetzt auf die harte Tour.
Dabei dient die Schweiz als Vorbild. Migrationsminister Johan Forssell (45) liess sich diese Woche von SP-Justizminister Beat Jans (60) über den Schweizer Weg informieren. Forssell ist mit Ideen heimgereist, mit denen er die schwedische Politik verschärfen will. Welche das sind, verrät er im Interview.
Blick: Warum sind Sie in die Schweiz gereist?
Johan Forssell: Wir führen in Schweden zurzeit einen Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik durch. Dabei wollen wir uns von der Schweiz inspirieren lassen.
Was meinen Sie mit Paradigmenwechsel?
Wir haben in den vergangenen zehn Jahren sehr viele Menschen aufgenommen. Die meisten machen zwar das Beste aus ihrer Situation, bei der Integration aber gab es Probleme. Ein Beispiel: Heute sind rund 400'000 Menschen ohne Arbeit. Wir wollen jetzt Massnahmen ergreifen, damit wir die Integration bewältigen können. Gleichzeitig wollen wir die Einwanderung von hoch qualifizierten Arbeitskräften erhöhen.
Was wollen Sie von der Schweiz lernen?
Ich weiss, dass die Schweiz bei der Anwerbung ausländischer Talente sehr erfolgreich ist. Ich habe mich deswegen an der ETH mit schwedischen Studenten, Doktoranden und Forschern getroffen, um herauszufinden, was sie an der Schweiz so attraktiv finden. Der noch wichtigere Grund für meine Reise ist aber, zu sehen, wie es die Schweiz mit Einbürgerungen handhabt.
Dieses Schweizer Einbürgerungsverfahren wird wegen der hohen Hürden und der unterschiedlichen lokalen Regeln immer wieder kritisiert. Warum interessiert es Sie?
Die Schweiz und Schweden denken in vielen Dingen sehr ähnlich, bei der Gesetzgebung zur Staatsbürgerschaft haben wir aber zwei sehr unterschiedliche Wege eingeschlagen. In Schweden kann man heute schon nach fünf Jahren die Staatsbürgerschaft beantragen. Es gibt keine formale Anforderung, dass man etwas über das Land verstehen, die Sprache sprechen oder ein Einkommen haben muss. Auch kann man ziemlich schwere Verbrechen begangen haben und dennoch den Pass erhalten. Das müssen wir ändern.
Das tönt nach Einbürgerungstests…
Genau. Die habe ich mir erklären lassen. Es geht nicht darum zu wissen, wer was im 16. Jahrhundert gemacht hat. Es geht bei den Fragen darum, welche Parteien in der Regierung vertreten sind, wie man sich um eine Stelle bewirbt und um die Werte des Landes. Wir wollen einen Anreiz dafür schaffen, Schwedisch zu lernen, die Gesetzgebung zu respektieren und einen Job zu suchen. Es muss etwas bedeuten, Bürger von Schweden zu sein.
Johann Forssell (45) von der Moderaten Sammlungspartei amtet seit September 2024 als Migrationsminister von Schweden. Zuvor war er in der 2022 gewählten bürgerlichen Minderheitsregierung zwei Jahre lang Minister für internationale Entwicklungszusammenarbeit und Aussenhandel. Er hat Wirtschaftswissenschaften und Management studiert. Der vierfache Vater ist verheiratet und lebt in Stockholm.
Johann Forssell (45) von der Moderaten Sammlungspartei amtet seit September 2024 als Migrationsminister von Schweden. Zuvor war er in der 2022 gewählten bürgerlichen Minderheitsregierung zwei Jahre lang Minister für internationale Entwicklungszusammenarbeit und Aussenhandel. Er hat Wirtschaftswissenschaften und Management studiert. Der vierfache Vater ist verheiratet und lebt in Stockholm.
Warum ist es in Schweden überhaupt zu solchen Problemen gekommen?
Schweden war in vielen Bereichen schon immer sehr offen, so auch in der Frage der Zuwanderung. Dazu kommt, dass Kritiker oft als Rassisten abgestempelt wurden. Lieber sprach man von offenen Grenzen und dass jeder willkommen sei. Das war für Schweden und sein Migrationssystem sehr schlecht.
War Schweden naiv?
Es gab eine gewisse Naivität, absolut. Ich sass damals im Parlament. Es ging jeweils lediglich um Fragen wie: Wie finden wir Unterkünfte? Es ging nie um langfristige Themen wie Fragen nach Arbeitsplätzen und anderen Herausforderungen.
In Schweden grassiert auch eine schwere Bandenkriminalität, die zum grossen Teil wegen der Migration entstanden ist. Wie wollen Sie die bekämpfen?
Auch das ist eine der Hauptprioritäten der Regierung. Wir wollen uns mehr auf Recht und Ordnung konzentrieren und den Behörden die rechtlichen Mittel in die Hand geben, die sie in Schweden seit vielen Jahren nicht mehr hatten. Einen Fokus legen wir auf die Installation von Überwachungskameras. Kriminellen wird die Staatsbürgerschaft verweigert. Laut Polizei gibt es rund 1500 Bandenmitglieder, die keinen schwedischen Pass haben.
Im Gegensatz zu Deutschland, wo man jede Zusammenarbeit mit der AfD verweigert, zieht die bürgerliche Minderheitsregierung die erstarkten rechten Schwedendemokraten in Entscheidungen mit ein. Wie funktioniert diese Zusammenarbeit?
Man kann die AfD nicht mit den Schwedendemokraten vergleichen. Im Gegensatz zur AfD befürworten die Schwedendemokraten zum Beispiel die Unterstützung der Ukraine klar. Unsere Zusammenarbeit funktioniert sehr gut. Wir haben gezeigt, dass wir in der Lage sind, sehr wichtige Reformen auszuhandeln und Schweden voranzubringen.
Mit strengeren Gesetzen kommt man oft auch mit den Menschenrechten in Konflikt. Wie wollen Sie mögliche Rechtsbrüche mit Ihrer harten Migrationspolitik vermeiden?
Eines der Ziele der Reform besteht darin, das Recht auf Asyl in Schweden auch in Zukunft zu bewahren. Wer vor einem Krieg flieht, bekommt Asyl. Da halten wir uns an die internationalen Gesetze. Aber um solchen Menschen auch in Zukunft helfen zu können und auch in Schweden die Unterstützung dafür zu erhalten, ist es sehr wichtig, dass das Migrationssystem funktioniert. Das ist das Ziel, das wir mit unserem Paradigmenwechsel anpeilen.