Manipulation, Cyberattacken, Fake News – Teija Tiilikainen (58) kämpft für den Westen gegen die neue Bedrohung
«Putin benutzt hybride Attacken in voller Bandbreite»

Seit Beginn des Krieges in der Ukraine hört man ein bisher unbekanntes Wort: hybride Bedrohung. Blick sprach mit Teija Tiilikainen (58). Die Finnin ist Direktorin eines internationalen Zentrums, das sich mit der aufkommenden Gefahr auseinandersetzt.
Publiziert: 07.06.2022 um 16:08 Uhr
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Aktualisiert: 07.06.2022 um 20:35 Uhr
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Verteidigung gegen hybriden Angriff: Polnische Soldaten sicherten die Landesgrenze, als der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko im November 2021 Migranten Richtung Westen losschickte.
Foto: imago images/SNA
Guido Felder

Cyberattacken und Fake News: Mit dem Krieg in der Ukraine hat auch die Bedeutung der hybriden Bedrohung einen neuen Stellenwert bekommen. Was bedeutet das überhaupt? Wie wird sich die hybride Bedrohung entwickeln, und wie weit ist die Schweiz davon betroffen?

Die Finnin Teija Tiilikainen (58) ist Direktorin des Europäischen Zentrums für die Bekämpfung hybrider Bedrohungen (Hybrid CoE). Blick erklärt sie, welchen Stellenwert diese Angriffe noch haben werden und warum man bei uns chinesische Investitionen mit grösster Vorsicht beobachten müsse.

Teija Tiilikainen, seit dem Einmarsch der Russen in die Ukraine hört man oft ein bisher kaum bekanntes Wort: hybride Bedrohung. Was bedeutet das?
Es handelt sich um Operationen in der internationalen Politik, die auf verschiedenen Ebenen spielen und die unerwartet initiiert werden. Dazu gehören zum Beispiel Cyberattacken auf Regierungssysteme oder Energiezentralen, Manipulation von Information, aber auch die instrumentalisierte Migration, wie wir sie im vergangenen Jahr in Belarus gesehen haben, als Machthaber Lukaschenko bewusst Migranten Richtung Westen losschickte.

Oberste Kämpferin gegen hybride Angriffe

Teija Tiilikainen (58) ist Direktorin des Europäischen Zentrums für die Bekämpfung hybrider Bedrohungen (Hybrid CoE), das seinen Sitz in Helsinki hat. Das Zentrum wurde 2017 von 32 EU- und Nato-Staaten gegründet, mit der Schweiz besteht eine Partnerschaft. Zuvor war Tiilikainen Direktorin des Finnischen Instituts für Internationale Angelegenheiten (2010–2019) und Direktorin des Netzwerks für Europäische Studien an der Universität Helsinki (2003–2009). Von 2007 bis 2008 war sie ausserdem Staatssekretärin im finnischen Aussenministerium.

Teija Tiilikainen (58) ist Direktorin des Europäischen Zentrums für die Bekämpfung hybrider Bedrohungen (Hybrid CoE), das seinen Sitz in Helsinki hat. Das Zentrum wurde 2017 von 32 EU- und Nato-Staaten gegründet, mit der Schweiz besteht eine Partnerschaft. Zuvor war Tiilikainen Direktorin des Finnischen Instituts für Internationale Angelegenheiten (2010–2019) und Direktorin des Netzwerks für Europäische Studien an der Universität Helsinki (2003–2009). Von 2007 bis 2008 war sie ausserdem Staatssekretärin im finnischen Aussenministerium.

Was ist das Ziel solcher Attacken?
Es ist ein Instrument von Herrschern, demokratische Staaten zu beeinflussen und zu schwächen, um selber global mehr Macht zu erlangen und ihre eigene autoritäre Rolle zu legitimieren.

Wie weit wurde oder wird diese Form von Angriff beim Krieg in der Ukraine angewendet?
Putin benützte im Vorfeld vor allem Cyberattacken auf ukrainische Systeme und verbreitete Falschinformation. So erklärte er den Grund für die Invasion damit, dass die Ukrainer Genozid an den Russen betrieben und einen Angriff auf Russland vorbereiteten.

Ist Putin der Erfinder solcher hybrider Attacken?
Hybride Bedrohung gibt es schon lange, haben aber in den vergangenen zehn Jahren massiv zugenommen. Dies einerseits, weil autoritäre Staaten ihren Einfluss ausbauen wollen, und andererseits, weil die Beeinflussung mit dem Aufkommen von sozialen Medien und der modernen Technologie generell viel einfacher geworden ist.

Von wo geht sonst noch hybride Bedrohung aus?
Russland benützt sie zurzeit in voller Bandbreite. China aber kopiert schnell, Iran und Belarus folgen. Aber auch nichtstaatliche Organisationen wie etwa Extremistengruppen und sogar die russische orthodoxe Kirche verwenden das Instrument.

Wie erkennt man, wenn man auf hybride Weise angegriffen wird?
Das ist genau das Problem. Wenn ein System blockiert wird oder im Vorfeld von Wahlen auffällige Diskussionen stattfinden, erkennt man die Ursachen oft nicht als eine ausländische Einmischung. Unsere Aufgabe besteht darin, solche Attacken sichtbar zu machen.

Wie können sich Staaten dagegen schützen? Müssen die Verteidigungsdepartemente neu organisiert werden?
In den nordischen Ländern verfolgen wir das Modell von umfassender Sicherheit. Es ist nicht nur eine Frage der Verteidigung, es müssen alle Ministerien, Abteilungen und auch verletzlichen Unternehmen sensibilisiert, geschützt und widerstandsfähig gemacht werden.

Wie soll das konkret geschehen?
Indem wir wichtige Informationen in den eigenen Händen behalten und widerstandsfähig bleiben. So muss man genau beobachten, wenn Chinesen kritische Infrastruktur etwa in der Telekommunikation, im Energiewesen oder im Finanzbereich aufkaufen.

Ist auch die Schweiz Ziel von hybrider Bedrohung?
Ja. Dieses Phänomen betrifft leider alle westlichen Länder. Wir stehen in Kontakt mit der Schweizer Regierung, die sich damit beschäftigt. Über konkrete Fälle kann ich aber nichts sagen.

Wie wird sich die hybride Bedrohung entwickeln?
Es ist das Interesse von Russland und China, ihre Rollen global zu stärken. Auch der Krieg in der Ukraine trägt dazu bei, dass wir eine klare Zunahme von hybrider Bedrohung verzeichnen werden. Man braucht eine Gruppe von Hackern und etwas technologische Kenntnisse, und schon kann man ganze Infrastrukturen lahmlegen. Es ist ganz einfach und kosteneffizient.

Wird es auch neue Arten der hybriden Bedrohung geben?
Das Ziel der Aggressoren besteht darin, den Gegner zu überraschen. Wenn wir einmal ein System aufgedeckt haben, werden sie ein neues erfinden. Ich denke vor allem an die künstliche Intelligenz, wo die Möglichkeiten unbegrenzt sind. Was ist zum Beispiel mit all den Daten, die überall von uns gesammelt werden? Man kann nur spekulieren, was passiert, wenn sie in falsche Hände gelangen.

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