Kreml-Kritiker Ilja Jaschin schmuggelt Brief aus dem Knast
«Russland ist zunehmend isoliert»

Der Russe Ilja Jaschin sitzt hinter Gittern. Unter anderem, weil er das Butscha-Massaker im Ukrainekrieg öffentlich missbilligte. Aus dem Gefängnis schickt Jaschin einen Brief an die Medien.
Publiziert: 24.01.2023 um 07:15 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2023 um 08:02 Uhr
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Kreml-Kritiker Ilja Jaschin letzten Dezember vor Gericht in Moskau.
Foto: AP

Achteinhalb Jahre muss Kreml-Kritiker Ilja Jaschin (39) ins Straflager. Das, weil er «Falschinformationen über die russische Armee» verbreitet haben soll, wie die russischen Behörden Anfang Dezember bekannt gaben.

Im vergangenen April postete er vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges auf YouTube: «Es ist eine rein apokalyptische Szene, wie in Horrorfilmen.» Und meinte damit das Massaker, was sich in der ukrainischen Stadt Butscha abgespielt hatte und bei dem zirka 400 Menschen ums Leben kamen. Jaschin: «Leichen von Zivilisten, die auf der Strasse liegen, Massengräber mit Zivilisten, die rasch mit Sand abgedeckt wurden: Wir haben jetzt alle dieses grausige Bild von den Strassen der Stadt gesehen.»

«Putin hat Schwäche gezeigt»

Schon seit Ende Juni sitzt Jaschin im Knast. Dennoch ist es ihm offenbar gelungen, einen Brief aus dem Gefängnis zu schmuggeln, wie die «Bild» berichtet.

«Die Staatsmacht bestätigt mit dem Urteil gegen mich, dass meine Kritik sehr schmerzhaft war», schreibt Jaschin. Weit darüber hinaus habe der russische Präsident Wladimir Putin (70) Schwäche gezeigt. «Eine starke Führungspersönlichkeit, auf deren Seite das Volk steht, hat keine Angst vor Kritik und Wettbewerb.»

Es habe ihn überrascht, dass seine Ansichten bei den einfachen Sicherheitskräften auf Sympathie gestossen seien. Auf den insgesamt sieben handschriftlichen Seiten heisst es weiter: «Ein gutes Ende dieses Krieges wird es nicht geben.» Dieser habe bereits Zehntausende von Menschenleben gefordert, ganze Städte ausgelöscht und 14 Millionen Ukrainer zu Flüchtlingen gemacht. «Der Krieg wird eine schmerzhafte Wunde hinterlassen, die noch jahrelang blutet.»

«Es kommt zum Waffenstillstand»

Allerdings: «Irgendwann, so scheint es, werden sich die beiden Seiten an den Verhandlungstisch setzen, die Truppen werden an der Kontaktlinie anhalten und es wird ein Waffenstillstandsabkommen geschlossen.» Jaschin geht davon aus, dass eine «zunehmende Isolation» und eine «tiefe gesellschaftspolitische Krise» auf Russland zukomme.

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«Mich beunruhigt der Gedanke an die verlorenen Jahre meines Lebens», so Jaschin. Die Zeit, die ihm durch die Finger rinne, sei das Schlimmste, was man hinter Gittern erleben könne. «Diese Zeit hätte ich mit geliebten Menschen, auf Reisen, mit einem glücklichen Leben verbringen können.»

Seit Beginn des Angriffskrieges im Februar gehen die russischen Behörden verstärkt gegen Regierungskritiker vor. Viele wurden ins Exil getrieben oder inhaftiert. Das Gesetz zur «Verbreitung falscher Informationen über die Armee» stellt Kritik an Russlands Offensive in der Ukraine unter Strafe. (tva)

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