Zoff bei Putins Truppen
Machtkämpfe in der russischen Armee toben weiter

Die Spaltungen und Machtkämpfe im russischen Militär-Apparat werden immer ersichtlicher. Die Entlassung des Kommandanten der Luftlandetruppen sorgt für internen Zwist. Zudem sitzt Kremlchef Putin noch die Wagner-Gruppe im Nacken.
Publiziert: 22.01.2023 um 21:00 Uhr
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Hat mit Machtkämpfen und Spaltungen innerhalb seiner Truppen zu kämpfen: Kremlchef Wladimir Putin.
Foto: IMAGO/SNA

Es knallt wieder einmal gehörig bei den russischen Streitkräften. Als ein russischer Militärblogger am vergangenen Freitag ankündigte, dass der Kommandant der russischen Luftlandetruppen und Generaloberst Michail Teplinski (54) kurz vor dem Rauswurf stünde und durch den Generalleutnant Oleg Makarewitsch ersetzt werden solle, sorgte das in Militärkreisen für Aufruhr.

Laut einem Bericht der US-amerikanischen Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) zeigten sich viele mit der Entscheidung unzufrieden und waren verwirrt, warum das Verteidigungsministerium einen in Russland angesehenen Generaloberst durch einen Offizier der Bodentruppen ohne Erfahrung bei den Luftlandetruppen ersetzen sollte. Zumal Teplinski selber erst im vergangenen Juni ernannt worden war.

Entlassung wegen Streit mit Oberkommandant Gerassimow

Mehrere Militärblogger scheinen aber inzwischen den wahren Grund für Teplinskis Entlassung aufgedeckt zu haben: ein Streit mit Waleri Gerassimow (67), dem neu ernannten Oberbefehlshaber der russischen Truppen in der Ukraine. Offenbar soll es dabei um den Einsatz russischer Fallschirmjäger bei geplanten Offensivoperationen gegangen sein.

Die Vermutung, dass Teplinski nach einem Streit mit dem Generalstab abgesetzt wurde, legt nahe, dass Teplinski sich Gerassimows Wunsch widersetzt haben könnte, die Luftlandetruppen zur Unterstützung von Operationen im Bachmut-Gebiet im Osten der Ukraine einzusetzen, wo sich die russischen Offensivoperationen weitgehend konzentrieren.

Zu Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine sollten die Luftlandetruppen gemeinsam mit Bodentruppen die Hauptstadt Kiew erobern, wurden aber zurückgeschlagen und erlitten hohe Verluste.

Teplinski könnte sich also dagegen gewehrt haben, Luftlandetruppen für die äusserst zermürbenden Offensivbemühungen in Bachmut einzusetzen mit der Begründung, dass traditionelle motorisierte Gewehr- oder Panzereinheiten besser dafür geeignet wären.

Bei den Luftlandetruppen handelt es sich um Truppen, die meistens hinter feindlichen Linien abgesetzt werden, um dort den Weg für die eigenen Truppen freizumachen, operativ wichtige Geländepunkte einzunehmen und diese dann zu halten. Sie gelten zudem als Elite-Einheit und stellen eine eigene Truppengattung des russischen Militärs dar. Sie beinhalten Grossverbände, die sowohl mittels Fallschirmabsprung als auch durch Hubschrauber zum Einsatz kommen können. Die 45'000 Luftlandesoldaten geniessen unter ihren Kameraden viel Ansehen und werden auch besser bezahlt.

Wagner inszeniert sich als unabhängige Armee

Nebst der Entlassung von Teplinski beschäftigt Kremlchef Wladimir Putin (70) aktuell noch etwas: die Wagner-Gruppe. Deren Söldner sind inzwischen zu einer Schlüsselkomponente in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine geworden. Gut 50'000 Mann sollen der privaten Militärfirma laut dem britischen Verteidigungsministerium bereits angehören.

Dieser Trumpf weiss der Chef der Wagner-Gruppe Jewgeni Prigoschin (61) auszuspielen. Er hat nun eine Reihe von Kampagnen gestartet, in denen er sich selbst als opferbereiten Helden Russlands in einem Kreuzzug gegen kleinliche und korrupte russische Behörden darzustellen versucht. Wagner möchte er laut einem Bericht der «Bild» als unabhängige Armee inszenieren.

Bereits während den Kämpfen um die ostukrainischen Stadt Soledar behauptete Prigoschin mehrmals, dass in der Stadt ausschliesslich seine Söldner gegen die ukrainischen Streitkräfte kämpfen würden. Von den russischen Streitkräften war keine Rede.

Putin scheint Einfluss von Wagner eindämmen zu wollen

Diese Äusserungen stossen bei Putin sauer auf. Es zeichnet sich ein immer grösser werdender Zwist zwischen Putin und Prigoschin ab. Jedoch ist ersterer selber Schuld. Denn das Problem ist hausgemacht. Putin und die Wagner-Gruppe agierten jahrelang Hand in Hand. Mittlerweile scheint Putin die Söldner-Truppe aber nicht mehr unter Kontrolle zu haben.

Daher versuche Putin, so Forscher des ISW, den Einfluss von Wagner-Chef Prigoschin einzudämmen. Deutlich macht er das, indem er sich zunehmend auf die Seite der Gegner von Wagner-Chef Prigoschin stellt. So traf er sich vergangenen Mittwoch erstmals seit gut einem Jahr wieder mit dem Gouverneur von St. Petersburg, Alexander Beglow (66), einem offenen Feind Prigoschins. Zudem ist der kürzlich von Putin ernannte Oberbefehlshaber an der Kriegsfront, Waleri Gerassimow, ebenfalls kein Freund des Wagner-Chefs. (ced)

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