Die Ukraine kämpft nicht nur gegen die Invasionsmacht Russland. Das Land kämpft auch gegen einen alten eigenen inneren Feind: Korruption. Laut Transparency International, einem globalen Netzwerk gegen Korruption, belegte die Ukraine im Jahr 2021 Platz 122 von 180 Ländern. Damit war die Ukraine das zweitkorrupteste Land in Europa. Am korruptesten war Russland mit Platz 136.
Obwohl das Land in der Kriegszeit zusammengerückt ist, ist die Korruption längst nicht verschwunden. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (44) hat nach Korruptionsskandalen in Kiew ein entschlosseneres Vorgehen gegen Fehlverhalten im Staatsapparat angekündigt. «Die Gesellschaft wird alle Informationen bekommen, und der Staat wird die notwendigen mächtigen Schritte ergreifen», sagte Selenski in seiner in Kiew verbreiteten allabendlichen Videobotschaft am Sonntag. Er informierte unter anderem darüber, dass der festgenommene Vize-Minister für die Entwicklung von Gemeinden, Territorien und Infrastruktur, Wassyl Losynskyj (40), entlassen worden sei.
Korruption weit verbreitet
Medien zufolge soll Losynskyj 400'000 US-Dollar (rund 368'000 Franken) an Schmiergeld kassiert haben für die Anschaffung von Generatoren zur Bewältigung der Energiekrise im Land. Selenski reagierte mit seiner Videobotschaft auch auf Medienberichte über einen überteuerten Ankauf von Lebensmitteln für Soldaten. Es sollen Preise gezahlt worden sein, die das Dreifache über denen im Einzelhandel liegen. Auch hier sollen sich Staatsdiener bereichert haben. Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow (56) soll nach offiziellen Angaben vor dem Parlament in Kiew dazu angehört werden.
Korruption ist in der Ukraine wie in vielen Ländern der früheren Sowjetunion in verbreitetes Problem, weshalb immer wieder befürchtet wird, dass auch Hilfsgelder des Westens in undurchsichtigen Kanälen versickern. Viele Bürger meinen, dass sich die Führung des Landes im Zuge der humanitären Unterstützung an Finanzhilfen bereichere.
Vize des Generalstaatsanwalts geschasst
Am Dienstag griff Selenski dann richtig durch: Die ukrainische Regierung stimmte dem Rücktritt von mehreren Gouverneuren zugestimmt und vier Vize-Minister wurden entlassen.
Entlassen werden sollen die Leiter der Gebiete Dnipropetrowsk, Saporischschja, Kiew, Sumy und Cherson, teilte der Leiter des Regierungsapparats im Ministerrang, Oleh Nemtschinow (45), am Dienstag im Nachrichtendienst Telegram mit. Damit gilt die formelle Entlassung durch Präsident Wolodimir Selenski (44) als sicher.
Der bisherige Gouverneur des Gebiets Kiew, Olexij Kuleba, ist dabei als neuer Vize im Präsidentenbüro für den kurz zuvor entlassenen Kyrylo Tymoschenko (33) im Gespräch. Seit Sonntag wurden damit bereits drei Stellvertreter im Ministerium für Regionalentwicklung und jeweils ein Vize im Verteidigungsministerium und Sozialministerium entlassen. Ebenfalls geschasst wurde ein Vize des Generalstaatsanwalts.
Selenski begrüsst Enthüllungen
Selenski kündigte für die kommende Woche Entscheidungen an, die bereits getroffen, aber noch nicht veröffentlicht seien, um die Korruption und Bereicherung im Amt weiter zu bekämpfen. «Ich bin den Journalisten dankbar, die sich mit den Fakten beschäftigen und das ganze Bild erstellen», sagte er zu den Enthüllungen.
Selenski erklärte, dass das Hauptaugenmerk zwar auf der Verteidigung des Landes im Krieg gegen Russland liege. Trotzdem sei ihm bewusst, dass in der Gesellschaft auch über diese Fälle gesprochen werde. Um der Gerechtigkeit willen müsse gehandelt werden.
Die EU-Kommission forderte die Ukraine nach der Aufdeckung neuer Korruptionsskandale zu weiteren Anstrengungen im Kampf gegen kriminellen Machtmissbrauch auf.
Man begrüsse die bereits getroffenen Massnahmen, sagte eine Sprecherin am Dienstag in Brüssel. Es müssten aber weitere Fortschritte erzielt werden und es müsse Garantien für Geldgeber geben, dass Mittel sinnvoll eingesetzt würden. Antikorruptionsmassnahmen seien Teil der politischen Bedingungen für weitere EU-Kredite und spielten auch im EU-Beitrittsprozess eine Schlüsselrolle.
Blick informiert im Ticker Live über die aktuellen Entwicklungen in der Ukraine.
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(kes/nad/SDA)