Gegner und Befürworter demonstrieren vor Supreme Court
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Nach Abtreibungsentscheid:Gegner und Befürworter demonstrieren vor Supreme Court

Konservative im Aufwind
Wird in den USA bald Sex mit Verhütung verboten?

Der Oberste Gerichtshof der USA hat nach fast einem halben Jahrhundert das liberale Abtreibungsrecht gekippt. Jetzt wittern religiöse Fanatiker eine Chance, um weitere Freiheiten zu beschneiden.
Publiziert: 28.06.2022 um 20:01 Uhr
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Aktualisiert: 28.06.2022 um 21:36 Uhr
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Demonstration für das Recht auf Abtreibung in Denver, Colorado.
Foto: AFP
Georg Nopper

Weshalb wurde das Recht auf Abtreibung abgeschafft?
Das Oberste Gericht hat in den USA einen grossen politischen Einfluss. Die Ernennung der Mitglieder erfolgt auf Lebenszeit. Der Vorgänger von US-Präsident Joe Biden (79), Donald Trump (76), wählte während seiner Amtszeit drei Konservative für das Gremium aus. Das Verhältnis zwischen Konservativen und Liberalen ist derzeit 6:3. Nun hat der konservativ regierte Bundesstaat Mississippi das Oberste Gericht angerufen, es möge ein örtliches Abtreibungsgesetz auf seine Verfassungsmässigkeit hin überprüfen. Dabei kippte das Oberste Gericht am Freitag den Grundsatzentscheid «Roe vs. Wade» aus dem Jahr 1973, auf dem das Recht auf Abtreibung auf nationaler Ebene fusste.

Was sind die Folgen für Schwangere?
Mit dem Entscheid ist es nun den einzelnen Bundesstaaten überlassen, wie sie ihr Abtreibungsrecht regeln. In etwa der Hälfte der Bundesstaaten dürfte es zu weitgehenden Einschränkungen bis hin zu Verboten von Schwangerschaftsabbrüchen kommen. In einigen von ihnen wurden entsprechende Gesetze bereits verabschiedet. Nicht davon betroffen sind traditionell demokratisch regierte Bundesstaaten wie Kalifornien, New York, New Jersey, Oregon, Washington oder Massachusetts. Schwangere, die abtreiben wollen, müssen somit zum Teil lange und teure Reisen in Bundesstaaten unternehme, in denen dies erlaubt ist. Es wird befürchtet, dass Frauen, die dies nicht vermögen, vermehrt ohne ärztliche Hilfe Abtreibungen vornehmen lassen werden.

Sind weitere Rechte auf der Kippe?
Das Urteil ist ein politisches Erdbeben. Konservative Kräfte im ganzen Land sehen sich bestärkt. Bei liberal gesinnten Bürgern löst eine Stellungnahme des ultra-konservativen Richters Clarence Thomas (74) Entsetzen aus: Er schreibt, dass auch Entscheidungen, die das Recht auf Verhütung, die gleichgeschlechtliche Ehe oder Sex unter gleichgeschlechtlichen Partnern verankern, auf den Prüfstand gehörten. Das Oberste Gericht hat zudem schon am Montag wieder einen umstrittenen Entscheid im Sinne einer konservativen Ideologie gefällt. Dabei geht es um den Coach eines Football-Teams an einer High School, der entlassen wurde, weil er nach den Spielen öffentlich auf dem Feld gebetet hatte. Das Oberste Gericht befand, dass die Schulbehörde das Recht des Mannes auf freie Meinungsäusserung verletzte. Der republikanische Senator John Cornyn (70) aus Texas fordert sogar, das Oberste Gericht möge nun «Plessy vs. Ferguson» und «Brown vs. Board of Education» in Angriff nehmen. Dabei handelt es sich um zwei Grundsatzentscheide gegen die Rassentrennung im öffentlichen Raum.

Schieben die Richter bald auch Präservativen den Riegel?
Ausser dem ultra-konservativen Thomas hat sich keiner aus dem obersten Richter-Gremium derart extrem geäussert. Die anderen fünf Konservativen betonen, dass das Urteil zum Abtreibungsrecht die anderen von Thomas erwähnten Präzedenzfälle nicht infrage stelle. Allerdings befürchten Liberale, dass die gesellschaftliche Umwälzung mit dem gekippten Abtreibungsrecht nicht beendet ist. Zudem hat Thomas viele konservative Unterstützer ausserhalb des Gremiums. So will der republikanische Gouverneur von Mississippi, Tate Reeves (48), nicht ausschliessen, dass in seinem Bundesstaat bestimmte Formen von Verhütung verboten werden. Der Republikaner Blake Masters (35) aus Arizona, der bei den Halbzeitwahlen 2022 für den Senat kandidiert, erklärt auf seiner Website, er werde nur für Bundesrichter stimmen, die sowohl gegen die Abtreibung wie auch Verhütung seien.

Hilft die Kontroverse den Demokraten bei den Halbzeitwahlen?
Obwohl viele Republikaner den Entscheid des Obersten Gerichts in Sachen Abtreibung feiern: Die Mehrheit der Bevölkerung will ein Recht auf Abtreibung. Mehr als 60 Prozent der US-Bürgerinnen und -Bürger sprechen sich laut Umfragen dafür aus. Präsident Biden und andere führende Demokraten machten nach der Urteilsverkündung umgehend klar, dass das Thema vor den Halbzeitwahlen im November eine grosse Rolle spielen wird. Biden warnte vor einem «extremen» und «gefährlichen» Weg, den das Gericht einschlage. Die Demokraten hoffen, dass sie damit ihre derzeit schlechten Umfragewerte aufpolieren und junge, liberale Wähler mobilisieren können. Die Demokraten argumentieren, mit einer deutlichen Mehrheit ein Gesetz verabschieden zu können, welches das Recht auf Abtreibung gesetzlich festschreibt. Aktuellen Umfragen zufolge dürften sie ihre Mehrheit im Kongress allerdings verlieren.

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