In Israel scheint die Zeit des langjährigen Ministerpräsidenten Benjamin «Bibi» Netanyahu (71) abgelaufen. Acht Parteien unterschiedlichster Ausrichtung haben sich zusammengeschlossen, um Israels starken Mann zu verdrängen und ohne Likud als grösste Partei selber eine Regierung zu bilden. Sie muss noch vom Parlament, der Knesset, abgesegnet werden.
An der Spitze der neuen Regierung stehen der liberale Jair Lapid (57) der Zukunftspartei sowie Naftali Bennett (49) von der religiös-nationalistischen Jamina-Partei. Sie wollen abwechslungsweise je zwei Jahre lang als Ministerpräsident amtieren, wobei Hardliner Bennett den Anfang macht. Es sind zwei Koalitionspartner, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.
Lapid, der schöne Moderate
Jair Lapid ist der Chef der zweitstärksten Partei Jesch Atid («Es gibt eine Zukunft») und somit Oppositionsführer. Einen Namen machte er sich in Israel als TV-Moderator, Autor von Thrillern, Kinder- und Sachbüchern sowie auch als Hobby-Boxer. Mehrmals wurde er zum attraktivsten Mann Israels gewählt.
2012 gründete er die liberale Zukunftspartei, die ein Jahr später aus dem Stand zur zweitstärksten Kraft im Land wurde. Unter Netanyahu diente Lapid als Finanzminister, scheiterte aber mit seinen Sparprogrammen nach nur einem Jahr.
Der wirtschaftsliberale und innovationsfreundliche Lapid ist den ultrakonservativen Juden ein Dorn im Auge, da er deren Sonderrechten kritisch gegenüber steht. Auch setzt er sich für eine Zweistaatenlösung mit den Palästinensern ein, will allerdings die umstrittenen und von der Uno als völkerrechtswidrig eingestuften grossen jüdischen Siedlungsblöcke in Ostjerusalem und dem Westjordanland behalten. Eines seiner Ziele ist auch der Kampf gegen die Korruption, derer Netanyahu verdächtigt wird.
Bennett, der rechte Hardliner
Naftali Bennett gilt als der schwierigste Partner der neuen Koalition, soll aber sofort ihr neuer Premier werden. Auch er diente unter Netanyahu: Zuerst war es dessen rechte Hand, später führte er fünf Ministerien, so auch das Verteidigungsministerium.
Der religiös-nationalistische Hardliner ist der grösste Verteidiger der jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten. Eine Zweistaatenlösung kommt für ihn nicht in Frage. Lieber würde er grosse Teile des Westjordanlands annektieren und Gaza Ägypten zuschlagen.
Bennett steht für eine ultraliberale Wirtschaftspolitik. Als er 2005 sein Internet-Start-up verkaufte, kassierte er dafür 145 Millionen Dollar.
So gehts weiter
Lapid und Bennett haben völlig verschiedene Ansichten, sind aber aufeinander angewiesen, um Netanyahu zu verdrängen. Bis zur letzten Minute hatte es heftige Meinungsverschiedenheiten gegeben. Bis 23 Uhr Schweizer Zeit am Mittwoch musste Lapid eine Regierung bilden, sonst wäre dieser Auftrag ans Parlament übergegangen – mit wohl sehr geringen Erfolgsaussichten. Im Falle eines Scheiterns wären abermals Neuwahlen fällig geworden.
Benjamin «Bibi» Netanyahu nimmt die drohende Absetzung nicht einfach so hin. Er wird alles dransetzen, dass das wacklige Bündnis von Lapid und Bennett Schiffbruch erleiden wird und er an der Macht bleiben kann. Dazu gibt es nur ein Mittel: Er muss wankelmütige Parlamentarier in der Knesset, die in den nächsten Tagen über die neue Regierung abstimmen muss, auf seine Seite ziehen.
Netanyahu twitterte: «Jeder Knesset-Abgeordnete, der mit den rechten Stimmen gewählt wurde, muss sich der gefährlichen linken Regierung widersetzen. Bennett hat die (Wüste) Negev an Raam verkauft.»
Vor allem in der nationalreligiösen Jamina-Partei von Naftali Bennett sind nicht alle glücklich über die vorgeschlagene Koalition. Auch die arabische Ra'am-Partei macht bei der Koalition nicht mit Überzeugung mit, ihr Vorsitzender hat sich nur knapp zu einer Zusage überwunden.
Zählt man die Stimmen der acht Anti-Netanyahu-Parteien zusammen, kommt man auf 62 Sitze. Es braucht im 120-köpfigen Parlament also nur wenige Abweichler, welche die neue Regierung vor deren Antritt zu Fall bringen könnten. Es käme zu Neuwahlen, bei denen Netanyahu eine weitere Chance erhalten würde. (gf)
Benjamin «Bibi» Netanyahu nimmt die drohende Absetzung nicht einfach so hin. Er wird alles dransetzen, dass das wacklige Bündnis von Lapid und Bennett Schiffbruch erleiden wird und er an der Macht bleiben kann. Dazu gibt es nur ein Mittel: Er muss wankelmütige Parlamentarier in der Knesset, die in den nächsten Tagen über die neue Regierung abstimmen muss, auf seine Seite ziehen.
Netanyahu twitterte: «Jeder Knesset-Abgeordnete, der mit den rechten Stimmen gewählt wurde, muss sich der gefährlichen linken Regierung widersetzen. Bennett hat die (Wüste) Negev an Raam verkauft.»
Vor allem in der nationalreligiösen Jamina-Partei von Naftali Bennett sind nicht alle glücklich über die vorgeschlagene Koalition. Auch die arabische Ra'am-Partei macht bei der Koalition nicht mit Überzeugung mit, ihr Vorsitzender hat sich nur knapp zu einer Zusage überwunden.
Zählt man die Stimmen der acht Anti-Netanyahu-Parteien zusammen, kommt man auf 62 Sitze. Es braucht im 120-köpfigen Parlament also nur wenige Abweichler, welche die neue Regierung vor deren Antritt zu Fall bringen könnten. Es käme zu Neuwahlen, bei denen Netanyahu eine weitere Chance erhalten würde. (gf)
Mit Vereidigung der neuen Regierung im Parlament wäre die Ära Netanyahu vorerst beendet. Als voraussichtlicher Vereidigungstermin galt bislang der 14. Juni, Lapid teilte jedoch mit, er strebe den frühestmöglichen Termin an – am liebsten schon am kommenden Montag. Damit die ungewöhnliche Koalition ihre Regierungsarbeit aufnehmen kann, muss eine einfache Mehrheit der 120 Abgeordneten für sie stimmen.
Es wird damit gerechnet, dass Netanyahus Anhänger bis zur Vereidigung mit aller Macht versuchen werden, das wacklige Bündnis von Lapid und Bennett zum Scheitern zu bringen. Bis zuletzt gab es Berichte über mögliche Abtrünnige in den Reihen der Jamina-Partei.
Die schwierige Aufgabe
Zusammenarbeiten muss der künftige Ministerpräsident mit dem am Mittwoch neu gewählten Staatsoberhaupt Izchak Herzog (60). Herzog kündigte an, er wolle «Präsident aller Israelis» sein und sich für eine Einheit in dem gespaltenen Land einsetzen.
Das gleiche Ziel verfolgt auch Lapid. Er schrieb auf Twitter: «Ich verpflichte mich, dass diese Regierung allen Bürgern Israels dienen wird.» Die neue Regierung werde «ihre Gegner respektieren und alles dafür tun, alle Teile der israelischen Gesellschaft zu einen und zu verbinden».
Die Israelis zu einen ist eine sehr schwierige Aufgabe. Auch wenn Netanyahus Zeit vorerst beendet ist, stehen Israel innenpolitische höchst unsichere Zeiten bevor.