Als Justin Trudeau (53) 2015 zum kanadischen Premierminister gewählt wurde, setzte das Land auf ein neues Gesicht aus einer bekannten Politik-Dynastie. Trudeau versprach eine fortschrittliche Agenda und Führungsstärke. Sein Rücktritt vom Montag, nach mehr als neun Jahren im Amt, ist jedoch ein Eingeständnis des Scheiterns.
Kanada ist das dritte grosse westliche Land, das seit der Wahl von Donald Trump (78) eine Regierungskrise erlebt: Vor Trudeau hatten auch Olaf Scholz (66) in Berlin und Michel Barnier (73) in Paris das Vertrauen verloren.
Blick zeigt auf, was von Trudeau in Erinnerung bleiben wird – und wie es im flächenmässig zweitgrössten Land der Erde nun weitergeht.
Grosse Hoffnungen für den «Kanada-Kennedy»
Im Alter von 43 Jahren trat Trudeau im November 2015 sein Amt an. Gemeinsam mit seiner «First Family», der Frau Sophie Grégoire Trudeau (49) und mit den drei Kindern symbolisierte er eine neue Generation. Wegen seines guten Aussehens und dem dynamischen Image wurde er auch als «Kanada-Kennedy» bezeichnet. Trudeaus Vater Pierre war mit einer kurzen Unterbrechung zwischen 1968 und 1984 kanadischer Premier.
Justiz-Skandal und Blackfacing
Das Image von Justin Trudeau bekam spätestens 2019 erste Kratzer. Zunächst warf ihm seine ehemalige Justizministerin vor, er habe Druck ausgeübt, um in einem Korruptionsverfahren einen kanadischen Baukonzern zu begünstigen. Die Opposition forderte seinen Rücktritt. Im selben Jahr veröffentlichte das amerikanische «Time»-Magazin ein Foto von 2001. Darauf trägt Trudeau einen Turban und dunkle Gesichtsbemalung – sogenanntes «Blackfacing». «Ich hätte es besser wissen müssen», räumte der Premierminister ein.
Umstrittene Corona-Politik und Trucker-Proteste
Während der Coronakrise verfolgte Trudeaus Regierung einen eher strengen Kurs. Die Proteste gegen diese Politik eskalierten im Januar 2022: Während mehrerer Wochen demonstrieren Tausende gegen Lockdowns und Impfvorschriften. Mit Lastwagen und anderen Fahrzeugen blockieren sie Teile der Innenstadt Ottawas und Grenzübergänge zu den USA. Bei der Räumung kam es zu 70 Festnahmen.
Xi kanzelt Trudeau ab
An einer G20-Konferenz in Indonesien kam es im November 2022 zu einem ungewöhnlichen Zwischenfall: Der chinesische Präsident Xi Jinping (71) rügte Trudeau öffentlich. Xi kritisierte, dass Trudeau vertrauliche Details aus einem Gespräch publik gemacht hatte – und das vor einer laufenden Kamera. Der unangenehme Austausch folgte auf wiederholte Warnungen Trudeaus, dass China versucht habe, die kanadische Demokratie zu untergraben.
Überraschendes Aus für Glamour-Paar
Es war ein Paukenschlag, als Trudeau im August 2023 via Instagram verkündete, er und seine Frau würden nach 18 Jahren Ehe getrennte Wege gehen. Laut der kanadischen «National Post» soll die First Lady bereits vor der offiziellen Trennung eine romantische Beziehung mit einem anderen Mann eingegangen sein – dem Arzt Marcos Bettolli (49). Sophie Grégoire Trudeau war in Kanada ursprünglich als Model und Fernsehmoderatorin bekannt geworden. Nach Trudeaus Aufstieg zum Premierminister hatte sie ihre Karriere aufgegeben – auch zugunsten der drei Kinder.
Inflation und Wohnraum-Mangel
Wirtschaftlich war Trudeaus Amtszeit keine besondere Erfolgsgeschichte. Das Fraser Institute, eine Denkfabrik in Vancouver, hält fest, dass Kanada zwischen 2014 und 2022 pro Kopf die drittniedrigste durchschnittliche BIP-Wachstumsrate unter 30 OECD-Ländern aufwies. Gleichzeitig erlebte das Land eine starke Zuwanderung. Zuletzt sorgten auch steigende Preise und ein Mangel an Wohnraum für Kritik.
Trump will Kanada als 51. Staat
Donald Trump möchte aktuell Grönland kaufen. Trudeau bezeichnet Trump immer wieder spöttisch als «Gouverneur» – als Regierungschef eines US-Bundesstaats. Gleichzeitig droht der designierte US-Präsident Kanada mit Strafzöllen in Höhe von 25 Prozent. Erst am Montag schrieb Trump auf Truth Social: «Wenn Kanada mit den USA fusionieren würde, gäbe es keine Zölle und die Steuern würden deutlich sinken.»
Trudeau will als Parteivorsitzender der Liberalen und als Premierminister noch im Amt bleiben, bis die Nachfolge geklärt ist. Anstatt vorgezogene Neuwahlen auszurufen, hat er das Parlament bis zum 24. März ausgesetzt. Damit will Trudeau seiner Partei Zeit verschaffen, um einen erfolgversprechenden Kandidaten zu finden. Die nächste reguläre Parlamentswahl steht im Oktober an. Mit einem Misstrauensvotum könnte jedoch eine vorgezogene Neuwahl erzwungen werden.
In Umfragen sieht es derzeit gut aus für die Konservative Partei unter Pierre Poilievre (45). Sie erreicht in Umfragen rund 40 Prozent. Während Trudeaus Abgang die Situation der Liberalen Partei wohl verbessert, ist das Land nun in einer heiklen Phase – bei Trumps Amtsantritt – ohne effektive Führung.