«Wenn nicht wir, wer dann?» – so reagierte US-Präsident Joe Biden (80) vergangene Woche auf die Frage eines Journalisten, ob die USA Israel und der Ukraine gleichzeitig Unterstützung zusichern könnten. Allerdings hat sich das Blatt in den USA in Bezug auf die Unterstützung der Ukraine schon lange vor Ausbruch der jüngsten Nahostkrise gewendet. Denn noch immer hat das US-Repräsentantenhaus keinen Sprecher – und somit keine Entscheidungskraft. Heisst: Neue Unterstützung für die Ukraine kann aktuell nicht gewährleistet werden.
Seit Beginn des Krieges haben die USA 52,8 Milliarden US-Dollar an militärischer Hilfe für die Ukraine bereitgestellt, so das Kieler Institut für Weltwirtschaft, ein deutsches Forschungsinstitut. Währenddessen hat Deutschland, der zweitwichtigste Unterstützer der Ukraine, das Land mit etwa 12 Milliarden Euro unterstützt. Die Differenz zwischen dem wichtigsten Geldgeber und dem Zweitwichtigsten zeigt, warum ein Ausbleiben der US-Unterstützung ein riesiges Problem für die Ukraine ist.
Wenn die USA tatsächlich ausfallen, muss die EU das entstandene Vakuum füllen. Das ist laut Josep Borrell (76), der EU-Beauftragte für auswärtige Angelegenheiten, quasi ein Ding der Unmöglichkeit. «Wenn die USA ihre Unterstützung einstellen oder massiv reduzieren, wird die Ukraine ein Problem haben, das von den Europäern nicht aufgefangen werden kann», räumte er vergangene Woche ein.
EU sucht überall nach Lösungen
Schwierige Zeiten erfordern verzweifelte Massnahmen. Und wie verzweifelt Europa ist, zeigt ein fragwürdiger Deal, den die EU-Spitze in Brüssel gerade ausklügelt. Die Hauptrolle dabei spielt der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán (60). Der Staatschef stellt sich seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar des letzten Jahres quer, wenn es um Ukraine-Hilfen der EU geht. Dabei handelt es sich um einen Fond in der Grösse von 20 Milliarden Euro – mit denen die Ukraine noch fünf Jahre militärisch versorgt werden soll.
Doch Ungarns Premier soll jetzt willig gemacht werden. Die Idee der EU: Das Bündnis gibt Milliardenbeträge frei, die sie wegen Orbáns Rechtsstaatsverstössen blockiert hat. Im Gegenzug stellt der Premierminister seinen Widerstand gegen neue Hilfsgelder für die Ukraine ein. Zuletzt hiess es laut Informationen des deutschen Magazins «Spiegel», dass eine Lösung bald spruchreif sein könnte. Doch: Das EU-Parlament warnt die EU-Kommission davor, die EU-Mittel für Ungarn freizugeben. Und Orbáns letzte Annäherung an Kremlchef Wladimir Putin (71) – ein wohlwollender Handschlag bei einem Treffen in China – verkomplizieren die Sache noch weiter.
Werden bald Panzer in der Ukraine produziert?
Einen weiteren Lösungsansatz bringt die ukrainische Regierung selbst ein: Die Ukraine soll – mithilfe der EU – die benötigten Waffen und Munition gleich selbst produzieren. Laut dem Magazin «Politico» hält das zumindest der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (65) für eine gute Idee. Er und der ukrainische Premierminister Denys Schmyhal (48) haben am Dienstag offiziell ein gemeinsames Verteidigungsprojekt zwischen Rheinmetall und Ukroboronprom, dem staatlichen ukrainischen Verteidigungsunternehmen, für gepanzerte Fahrzeuge bekannt gegeben.
Bis diese Fabriken in der Ukraine dann auch tatsächlich Fahrzeuge produzieren, könnte es noch eine Weile dauern. Doch der Krieg in der Ukraine läuft schlecht. Die ukrainische Sommeroffensive hat nicht gehalten, was sie versprach, und der Krieg scheint sich zu einer langen Zermürbungsschlacht entwickelt zu haben. Heisst: Die Ukraine braucht dringend weitere militärische Unterstützung – ohne sieht es nicht gut aus. Und selbst wenn die EU alles gibt, was sie hat: Ohne die USA stehen die Chancen für die Ukraine schlecht.