Iran, Russland, China: Viele Menschen in diesen Ländern sind unzufrieden mit der Regierung und machen ihrem Unmut in Demonstrationen Luft. Allerdings werden Proteste meistens schon im Keim erstickt – und oft mit Gewalt. Bis zur ersehnten Revolution ist es weit. In Iran beispielsweise gingen Zehntausende auf die Strassen, Dutzende wurden in der Folge hingerichtet. Am Montag wurden 22'000 Demonstranten vom Mullah-Regime begnadigt.
In vielen Ländern haben Revolutionen zum Machtwechsel und zu Systemänderungen geführt. Warum schaffen es die Menschen in Iran, Russland und China nicht, eine Wende herbeizuführen? Ekkart Zimmermann (76), emeritierter Professor für Soziologie und Revolutions-Experte, erklärt gegenüber Blick die Gründe.
Was braucht es für eine Revolution?
Ekkart Zimmermann: Die Hauptbedingung ist der Riss in den Eliten, der alleine aber nicht ausreicht. Es braucht den Zusammenschluss von Massenelementen, etwa der Studenten mit den Arbeitern, das Ausschalten von Gewaltorganisationen wie Polizei, Militär oder Palastwachen sowie eine Massenverarmung oder eine extrem grosse moralische Empörung.
Was meinen Sie mit moralischer Empörung?
Ich denke zum Beispiel an die Halsbandaffäre – den Betrugsskandal vor der Französischen Revolution 1789 – oder aktuell an die Vergiftung der Schulmädchen im Iran. So etwas kann ungeheuerlich wirken.
Dennoch hat es im Iran – wo sich viele Iraner und vor allem Iranerinnen an das freie Leben vor den Mullahs erinnern – noch nicht zu einer Revolution gereicht. Warum ist da kein Umsturz in Sicht?
Im Iran spielt der Faktor Religion eine grosse Rolle. Sie verknüpft Private mit dem professionellen Staat von Priestern, die über das Heil befinden, also Diesseitiges und Jenseitiges. Es herrscht also eine praktisch unschlagbare Kombination. Dazu kommt, dass der 1979 gestürzte Schah grosse Bevölkerungsgruppen gegen sich und auch keine nachhaltige Unterstützung in der Armee aufgebaut hatte und sich somit viele Iraner nicht nach dem alten System sehnen.
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Die als Bauernkriege bezeichneten Aufstände, die vom 14. Jahrhundert bis ins 19. Jahrhundert hinein immer wieder in Europa aufflammten, wurden regelmässig blutig niedergeschlagen. In der marxistischen Geschichtsbetrachtung wird insbesondere der Deutsche Bauernkrieg 1524–1526 als «frühbürgerliche Revolution» bezeichnet.
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Der erste als «Revolution» bezeichnete Umsturz war die Emder Revolution von 1595 in Ostfriesland.
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Glorious Revolution 1688/89 in England, die die Herrschaft der Stuarts beendete
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Amerikanische Revolution 1775–1783, oft auch als Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg bezeichnet
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Französische Revolution 1789–1799
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Haitianische Revolution 1791–1804
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Gescheiterte Revolution von 1848/1849 in mehreren Staaten Europas
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Russische Revolutionen 1917: Februar- und Oktoberrevolution. Für die Oktoberrevolution werden heute zum Teil die Begriffe Putsch bzw. Staatsstreich verwendet.
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Novemberrevolution in Deutschland 1918/1919
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Kubanische Revolution 1953–1959
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Islamische Revolution im Iran 1978/79
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Nicaraguanische Revolution von 1979–1990, nach der Kubanischen Revolution die zweite erfolgreiche lateinamerikanische Revolution im Kalten Krieg
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Die friedliche Revolution in der DDR 1989/1990
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Revolution in Tunesien 2010/2011
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Revolution im Sudan 2018/19
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Die als Bauernkriege bezeichneten Aufstände, die vom 14. Jahrhundert bis ins 19. Jahrhundert hinein immer wieder in Europa aufflammten, wurden regelmässig blutig niedergeschlagen. In der marxistischen Geschichtsbetrachtung wird insbesondere der Deutsche Bauernkrieg 1524–1526 als «frühbürgerliche Revolution» bezeichnet.
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Der erste als «Revolution» bezeichnete Umsturz war die Emder Revolution von 1595 in Ostfriesland.
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Glorious Revolution 1688/89 in England, die die Herrschaft der Stuarts beendete
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Französische Revolution 1789–1799
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Die friedliche Revolution in der DDR 1989/1990
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Revolution in Tunesien 2010/2011
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Revolution im Sudan 2018/19
Warum gab es bisher keine Revolution in Russland?
Es herrscht ein Meinungsmonopol. Das russische Volk glaubt an den Mythos der Bedrohung durch den Westen, weil vergleichende Informationen fehlen. Dies erinnert an das deutsche Volk beim Ersten und Zweiten Weltkrieg. Das Bürgertum machte mit und dachte, dass es der Führer schon richten würde – man hatte seine eigenen Rechtfertigungen für die erfolgten Übergriffe.
Sind denn in Ländern wie dem Iran, Russland oder China überhaupt Revolutionen möglich?
Das glaube ich schon. Viele Menschen streben da ja einen westlichen Lebensstandard an. Aber auf der andern Seite stehen eben Gruppen, die rücksichtslos sind, also deutliche Vorteile aus der Verteidigung des Status quo ziehen.
Wie sieht eine typische Revolution aus?
Die gibt es nicht, es sind alles Kombinationen einzelner Konfliktformen. Die sogenannt friedliche deutsche Revolution war nur möglich, weil dem Regime im Ostblock die Reform entglitten war, dem sowjetischen wie dem ostdeutschen. Wenn man die Geschichte weiter zurückdreht, sieht man, wie die Franzosen für ihre Revolution von 1789 den Engländern und die Engländer später für ihre Wahlrechtsreform 1832 wiederum den Franzosen mit ihrem Negativbeispiel der Terrorherrschaft abgeschaut hatten.
Täuscht der Eindruck, oder kommt es heutzutage weniger zu Revolutionen als in früheren Zeiten?
Revolutionen sind extrem selten. Man darf eine Revolution nicht verwechseln mit einer revolutionären Situation, bei der ein Herrschaftssystem herausgefordert wird und bei dem es drei mögliche Konsequenzen gibt: die Niederschlagung, was am häufigsten ist, einen Bürgerkrieg, was der blutigste Weg ist, sowie die Revolution als erfolgreicher Umsturz der Herrschafts- und Gesellschaftsordnung.
Welches ist der Moment, in dem eine Bewegung zur Revolution wird?
Der entscheidende Moment ist, wenn die private Meinung zur öffentlichen Meinung wird, und man merkt, dass im Land etwas faul ist. Vorhersagen kann man aber eine Revolution nie.
Wie gross ist die Rolle der modernen Technik und Digitalisierung?
Die helfen eher den Revolutionären, weil sie sich damit besser organisieren können und die von einem totalitären Regime angeordnete Überwachung auch ausfallen kann.
Wo dürfte es am ehesten als Nächstes zu einer Revolution kommen?
In Schwarzafrika, wo man am ehesten Palastrevolutionen erwarten kann. Wo es wichtige Bodenschätze gibt, mischen sich schnell Ausländer ein und verbinden sich mit korrupten lokalen Eliten.