«Meine Tochter wurde letzte Woche in der Schule vergiftet.» Das sagt eine Iranerin, die anonym bleiben will, gegenüber dem US-Nachrichtensender CNN. Ihrem Kind sei schlecht gewesen, es hätte kaum atmen können und im linken Bein kein Gefühl mehr gehabt. Und jetzt habe es auch Probleme mit dem linken Fuss und könne nicht mehr gut gehen. «Wir verbrachten zwei Tage in einem Spital in der Provinz Ghom.»
Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art. Verschiedenen Medienberichten zufolge wurden in den letzten Monaten Hunderte Schulmädchen vergiftet. Sie litten an Schwindel, Übelkeit und Atemnot. Der erste Fall wurde letzten November publik, 18 Gymnasiastinnen aus Ghom mussten ins Spital eingeliefert werden. Das Szenario wiederholte sich am 14. Februar – hundert Studentinnen von insgesamt 13 Schulen mussten ärztlich behandelt werden.
Jetzt auch Giftanschläge in der Hauptstadt
Mittlerweile hat die Vergiftungswelle offenbar auch die iranische Hauptstadt Teheran erreicht. Laut der Nachrichtenagentur «Fars News» mussten diesmal 35 Mädchen ins Spital gebracht werden. Staatliche Medien haben ausserdem über Vergiftungen in der Stadt Borudscherd und in den Provinzen Tschahar Mahal sowie Bachtiari berichtet.
Der iranische Gesundheitsminister Bahram Eynollahi (64) sagte in den staatlichen Nachrichten, man habe Untersuchungen vorgenommen, allerdings nichts Gravierendes feststellen können. Sein Stellvertreter Younes Panahi wurde allerdings von der iranischen Nachrichtenagentur «IRNA» mit den Worten zitiert: «Es ist klar, dass die Leute vor allem die Mädchenschulen schliessen wollten.» Später zog er das Statement dann zurück.
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Viele glauben, dass die Vergiftungen eine Art Vergeltungsaktion nach den «Women, Life, Freedom»-Protesten im Land sind. Vor allem junge Frauen haben den Sturz des Regimes gefordert, weil sie stark in ihrer Freiheit eingeschränkt sind. So dürfen sie das Haus nur mit einem Schleier verlassen. Mohammad Habibi, der Sprecher des iranischen Berufsverbandes der Lehrer, sagt etwa in den sozialen Medien, dass die Regierung damit ihre Zugeständnisse relativieren wolle, die sie im Nachgang an die Demos gemacht hatte. Konkret ist eine Lockerung der Kleiderordnung gemeint.
Internationale Reaktionen zeigen Bestürzung und Fassungslosigkeit. Der Sprecher des US-Aussenministeriums, Ned Price (40), sagt etwa: «Es ist abscheulich, Mädchen zu vergiften, die einfach nur lernen wollen.» Bislang gibt es keine offizielle Erklärung der iranischen Regierung um Staatspräsident Ebrahim Raisi (62) zu den Vorfällen. (tva)