Seit Wochen gehen die Menschen im Iran auf die Strasse und äussern ihren Unmut über das Mullah-Regime. Doch dieses kennt keine Gnade mit den Demonstranten und schreckt weder vor Gewalt noch sonstigen Brutalitäten zurück.
Die Widerständler müssen jederzeit mit einer Verhaftung rechnen, sei es mitten in der Nacht oder auf dem Weg zur Arbeit. Teilweise verschwinden sie auch einfach und tauchen nie wieder auf. Auch ihre Verwandten bleiben im Ungewissen.
Gewalt an Sicherheitsbeamten als Grund für Todesurteil
Seit Beginn der Proteste gegen das islamistische Regime um Ajatollah Ali Chamenei (83) wurden nach Informationen der iranischen Menschenrechtsorganisation «Hrana» schätzungsweise über 19'000 Menschen verhaftet. Freigelassen werden nur die Allerwenigsten. Oft geht es um angebliche Gewalt gegen iranische Sicherheitskräfte oder Randale während der Proteste.
Die meisten, die das Regime zu fassen bekommt, haben Schlimmes zu befürchten. Sogar erste Hinrichtungen hat es schon gegeben. Vier, um genau zu sein. Am Samstag wurden laut der iranischen Justizbehörde die beiden Männer Mohammed-Mehdi K. (†22), ein Karatekämpfer und der Kampfsportlehrer Sejed-Mohammed H. (†39) in den frühen Morgenstunden gehängt.
Ihnen wurde vorgeworfen, während der systemkritischen Proteste im November einen Sicherheitsbeamten und Mitglied der berüchtigten paramilitärischen Basidsch-Einheit der Revolutionsgarden umgebracht zu haben.
Mohammed-Mehdi K. war bei seinen Eltern in einem kleinen Dorf der Region Kurdistan aufgewachsen. Zuletzt soll er laut eines Berichts des «Spiegel» in Karadsch, westlich von Teheran, gelebt haben. Über den zweiten Hingerichteten, Sejed Mohammed H., ist allerdings nur wenig bekannt. Berichten in den sozialen Medien zufolge soll er seit dem Tod seiner Eltern mit psychischen Problemen gekämpft haben. Als Kampfsportlehrer soll er sozial benachteiligte Kinder unterrichtet haben. Zudem soll er sich seinen Lebensunterhalt auf einer Geflügelfarm verdient haben.
Sanktionen lassen Irans Wirtschaft zusammenbrechen
Nach Angaben der Justizbehörde hatten die beiden Männer vor Gericht zugegeben, bei Protesten in Karadsch, einem Vorort der Hauptstadt Teheran, einen angeblich unbewaffneten Sicherheitsbeamten mit einem Messer erstochen zu haben. Das Gnadengesuch der beiden Angeklagten sei vom obersten Gerichtshof abgelehnt und das Todesurteil bestätigt worden.
Bereits im vergangenen Dezember wurden zwei Todesurteile gegen den Rap-Musiker Mohsen S. (†23) und Madschid-Resa R. wegen angeblichen Mordes und versuchten Mordes an zwei Basidsch-Mitgliedern vollstreckt. Die Hinrichtungen sorgten im In- und Ausland für Entsetzen. Die EU beispielsweise beschloss daraufhin weitere Sanktionen gegen den Iran.
Diese haben laut Experten die bereits akute Wirtschaftskrise und die Inflation noch weiter verschärft. Die nationale Währung Rial hat nach den Protesten über 25 Prozent an Wert verloren. Angesichts der Entwicklungen im Land ist kein Ende der Finanzkrise in Sicht. Einige Beobachter befürchten gar einen Wirtschaftskollaps in dem ölreichen Land.
Weniger Proteste, dafür in anderer Form
Zwar gibt es mittlerweile weniger Strassendemonstrationen, gegen die der Sicherheitsapparat mit grösster Härte vorgeht. Die Existenznöte von Millionen Iranerinnen und Iranern haben nach Einschätzung von Beobachtern aber das Potenzial, eine weitere Protestwelle auszulösen.
Die Proteste gehen zudem in anderen Formen weiter. Insbesondere in Grossstädten weigern sich viele Frauen, das obligatorische Kopftuch zu tragen. Im Dezember öffneten zahlreiche Ladenbesitzer mehrere Tage lang aus Protest ihre Geschäfte nicht.
Auslöser der landesweiten Proteste im Iran war der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini Mitte September. Sie starb in Polizeigewahrsam, nachdem sie von der sogenannten Sittenpolizei wegen Verstosses gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden war. Seither gibt es immer wieder Proteste gegen den repressiven Kurs der Regierung und das islamische Herrschaftssystem. (ced/SDA)