Generäle sind für ihre Expertise auf dem Schlachtfeld bekannt. Dass sie sich in politische Gefilde vorwagen, passiert äusserst selten. Wenn es doch einmal vorkommt, knallt es. Das zeigte nicht zuletzt das angespannte Verhältnis zwischen Präsident Wolodimir Selenski (46) und seinem Ex-Armeechef Waleri Saluschni (50) in der Ukraine.
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Nun hat sich auch im Gaza-Krieg ein General zu Wort gemeldet. Dan Goldfuss (47) kritisierte vor wenigen Tagen in einer Brandrede den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu (74) deutlich. Während Israels Soldaten in Gaza Seite an Seite kämpften, ohne sich um die Zugehörigkeit ihrer Kameraden zu politischen oder religiösen Lagern zu scheren, betrieben Israels Politiker weiterhin ihre intriganten Machtspiele, klagte der Offizier an. «Ihr müsst unserer würdig sein», polterte Goldfuss. «Ihr müsst der Soldaten würdig sein, die ihr Leben verloren haben.» Seine Rede hielt er in voller Kriegsmontur, in der Hand ein Notizbuch.
«Wir werden nicht vor der Verantwortung davonlaufen», versprach Goldfuss. Ein klarer Seitenhieb auf Netanyahu, der es im Gegensatz zu Verteidigungsminister und Armee bisher vermieden hat, die Verantwortung für den Hamas-Angriff vom 7. Oktober zu übernehmen.
General wettert gegen unbeliebte Netanyahu-Regierung
Dass Goldfuss zudem das Thema Religion ansprach, kommt nicht von ungefähr. Ultraorthodoxe Israelis werden nicht zum Kriegsdienst eingezogen. Das stösst dem Brigadegeneral sauer auf. Netanyahu und Co. müssten sicherstellen, dass auch sie mitkämpften. «Sie müssen.»
Rumms! Goldfuss' Worte haben gesessen. Einer der wichtigsten Strategen hinter dem Feldzug im Gazastreifen hat verstanden, dass sein Wort in der Öffentlichkeit Gewicht hat. Seine Aussagen dürften nicht nur bei den israelischen Soldaten gut angekommen sein. Von Generalstabschef Herzi Halevi (56) gab es nur eine halbherzige Rüge. Auch bei vielen, die nicht kämpfen, ist die Netanyahu-Regierung alles andere als beliebt. Die Goldfuss-Schelte dürfte wie Musik in ihren Ohren geklungen haben.
Goldfuss hat in Haifa Politikwissenschaften studiert, besuchte zeitweise die US-Eliteuniversität Harvard. Mit seinem Auftritt, der ihn in ganz Israel bekannt machte, könnte er die Grundlage für eine spätere Polit-Karriere gelegt haben. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein hochrangiger Armeevertreter nach seiner Abdankung in die Knesset, das israelische Parlament, wechseln würde. Mit Verteidigungsminister Yoav Galant (65) und seinem Vorgänger Benny Gantz (64) sitzen zwei Ex-Militärs im Kriegskabinett.