Wie haben sie sich geirrt. Leider. Schon als der russische Präsident Wladimir Putin (69) 150’000 Soldaten um die halbe Ukraine aufgestellt hatte, glaubten viele nicht, dass er mit einem Einmarsch Ernst machen würde.
Obwohl die USA schon seit Wochen einen Einmarsch voraussagten, vertrauten sie Putin, der stets beteuerte, dass er keine Invasion plane. Und der der Welt sogar vorgaukelte, dass er die Truppen abziehe.
Noch am Sonntag – einen Tag vor Kriegsbeginn – verteidigte die deutsche Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht (52) den russischen Präsidenten und wiegelte die Sorge vor einem Einmarsch als Panikmache des Westens ab.
«Ich habe mich leider geirrt»
Wagenknecht sagte, man könne «heilfroh sein, dass Putin nicht so ist, wie er dargestellt wird. Nämlich als durchgeknallter russischer Nationalist, der sich daran berauscht, Grenzen zu verschieben.»
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Nun muss sie kleinlaut zugeben, dass sie falsch lag. In einem Interview mit der «Welt» sagte die Bundestagsabgeordnete: «Dass Putin so weit gehen würde, wie er es jetzt getan hat, hätte ich nicht für möglich gehalten. In dieser Einschätzung seiner Person und Berechenbarkeit habe ich mich leider geirrt. Für diesen völkerrechtswidrigen Krieg gibt es keine Rechtfertigung oder Entschuldigung.»
Auch Ex-Botschafter lag falsch
Auch Yves Rossier (61), der einstige Staatssekretär im Aussendepartement und frühere Schweizer Botschafter in Russland, sagte vier Tage vor Beginn der Invasion im Interview mit Blick: «Ich glaube nicht, dass es dazu kommt. Und es ärgert mich, wenn die amerikanische und englische Presse die Gefahr einer russischen Invasion an die Wand malen. Das schadet vor allem der Ukraine.»
Was sagt er jetzt? «Mir erschien eine begrenzte militärische Aktion als denkbar. Aber sicher nicht das, was jetzt läuft», antwortet er auf Anfrage zu Blick.
Eine andere Rationalität
Für ihn sei ein derartiger Krieg aus drei Gründen nicht denkbar gewesen: In Russland selber habe es wegen der Nähe und der vielen familiären Bande keine Unterstützung gegeben, es brauche sehr viel militärische Gewalt, um das grosse Land zu erobern und zu halten, und der Kreml habe sich in andern Krisengebieten bisher stets gegen von aussen aufgezwungene Regimewechsel gewehrt.
Es sei seine Annahme gewesen, dass Putin auf eine Invasion verzichte. Rossier: «Es kann aber sein, dass jemand eine andere Rationalität hat und anders entscheidet. Und das ist hier offensichtlich der Fall.»