«Ich dachte, es sind Pickel oder Stiche»
So schwer sind Affenpocken zu erkennen – Patient schildert Verlauf

Die Affenpocken verbreiten sich gerade weltweit. Das Perfide: Die Symptome können auch auf andere Krankheiten hindeuten. Ohne einen Arzt hätte ein Betroffener nicht herausgefunden, dass er am Virus leidet, wie er erzählt.
Publiziert: 17.06.2022 um 14:51 Uhr
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Aktualisiert: 07.06.2023 um 17:34 Uhr
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Affenpocken breiten sich gerade aus. Doch das Bundesamt für Gesundheit sieht keinen grossen Grund zur Sorge.
Foto: AFP

Die Affenpocken breiten sich rasant aus, aktuell auch in Europa! Am Freitag meldet das Bundesamt für Gesundheit (BAG) 12 neue Fälle seit Anfang der Woche. Bisher gibt es in der Schweiz somit insgesamt 31 laborbestätigte Ansteckungen.

Viel ist über die Krankheit derzeit noch nicht bekannt. Doch wie ein Fall aus Deutschland zeigt, scheint eine Erkrankung gar nicht so leicht erkennbar zu sein. Der betroffene Alexander Winter aus Berlin schildert auf Twitter detailliert den Verlauf seiner Infektion.

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Zuerst kam der Husten

Angefangen habe alles am 31. Mai mit einem Husten. Dieser sei zwar lästig gewesen, aber dennoch relativ mild. Weil die Corona-Tests negativ ausfielen, habe er sich keine weiteren Gedanken darüber gemacht. Zwei Tage später verschlimmerte sich der Husten. «Er kam meistens in Wellen, oft so heftig, dass ich zum Teil keine Luft bekommen habe», schreibt Winter.

Am nächsten Tag fühlt sich der Deutsche wie bei einer typischen Grippe. «Ich war extrem schlapp, hatte Gliederschmerzen, leichtes Kopfweh und bin nicht mehr ins Büro gegangen, sondern habe von zu Hause aus gearbeitet. Allerdings mit schwindender Konzentration.»

«Man kann die Ausbreitung erst in den nächsten Tagen einschätzen»
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Ausbreitung der Affenpocken:«Man kann die Ausbreitung erst in den nächsten Tagen einschätzen»

Schüttelfrost und Fieber

Am selben Tag registriert Winter aufgrund eines plötzlichen Juckreizes eine erste Pocke, die er zunächst aber gar nicht als solche identifiziert. Die kleine, kreisrunde Wunde – wie er sie beschreibt – habe er im Intimbereich entdeckt. «Sie hatte einen schmalen, weissen Rand und nässte.» Der Penis des Mannes habe leicht geschwollen, rötlich und entzündet gewirkt. Anschliessend findet er eine weitere Wunde im Intimbereich.

Verwirrung und Panik hätten sich breitgemacht, schreibt er. Denn am Morgen desselben Tages sei beim Duschen noch alles in Ordnung gewesen. An Affenpocken denkt der Berliner da immer noch nicht, er cremt die Stellen vorsichtshalber ein.

Doch bereits wenige Stunden später folgt heftiger Schüttelfrost. Der Fiebermesser zeigt 39,5 Grad an. Kopf und Nacken schmerzen derart, dass keine Tablette mehr hilft. Es vergehen weitere Stunden, bis Winter durch den Juckreiz weitere Pocken an anderen Körperstellen bemerkt.

Er dachte zuerst an Syphilis

Die darauffolgenden drei Tage sei er «in einem permanenten Schwebezustand» gewesen. Das Besondere: Das Thermometer habe zwar Fieber angezeigt, doch Winter habe es kaum gespürt und nicht geschwitzt. Nur Kopf- und Gliederschmerzen sowie der Husten lassen ihn leiden. Zu diesem Zeitpunkt ist der Mann überzeugt, dass er sich die Geschlechtskrankheit Syphilis eingefangen habe.

Erst eine Woche nach dem ersten Symptom geht er zum Arzt und erhält einige Zeit später die endgültige Diagnose: Affenpocken! Bis dahin habe er «felsenfest angenommen, dass es sich bei den besagten, von Juckreiz betroffenen Stellen eindeutig um Pickel oder Stiche gehandelt hat», schreibt er.

Winter betont: «Diese Pocken unterscheiden sich in Form und Struktur massiv von den Bildern, die ich im Internet beziehungsweise in den Medien gesehen habe.» Als Laie und ohne einen Arztbesuch sei es ihm unmöglich gewesen, die Pusteln als Affenpocken zu identifizieren.

Die Stellen hätten nicht nur wie Insektenstiche gejuckt, sie waren seiner Ansicht nach auch sehr willkürlich über den Körper verteilt – im Intimbereich, am Hals und an der Schulter.

«Ich fühle mich noch immer schwach»

Zwei Wochen später geht es dem Mann, der nach wie vor in Isolation sitzt, wesentlich besser, wie er schreibt. «Das Fieber ist weg und die Kopfschmerzen auch. Die Pocken entwickeln sich mittlerweile zurück, und auch der Juckreiz hat seit ein paar Tagen nachgelassen. Ich fühle mich noch immer schwach und manchmal sehr, sehr müde.»

Wie er sich mit dem Virus angesteckt hat, ist für ihn unklar. Bisher ist bekannt, dass die Krankheit unter anderem, aber nicht exklusiv, beim Geschlechtsverkehr übertragen wird. In Grossbritannien sind ein Grossteil der Infizierten homo- und bisexuelle Männer. Ärzte bitten darum Männer, die Sex mit anderen Männern haben, um besondere Vorsicht.

Alexander Winter betont jedoch, dass er die einzige Person in seinem sexuellen Umfeld sei, die mit Affenpocken angesteckt wurde. Um der Stigmatisierung von homo- und bisexuellen Männern entgegenzuwirken, habe er sich entschieden, seinen Fall publik zu machen.

Impfstoff der 3. Generation in der Schweiz nicht zugelassen

Einen spezifischen Impfstoff gegen Affenpocken gibt es aktuell zwar nicht. Jedoch weisen die früheren Pockenimpfstoffe eine hohe Wirksamkeit auf. In der Schweiz wurden diese Menschenpocken-Vakzine im Rahmen des Programms zur Ausrottung der Pocken bis 1972 verabreicht.

Wie das BAG schreibt, wurde nun ein Impfstoff der dritten Generation, der einen Schutz gegen die Affenpocken von 85 Prozent aufweist, in Europa und in den USA zugelassen. Nur in der Schweiz nicht. Laut BAG könne er lediglich in «speziellen Situationen» im Off-Label-Modus auch ohne Zulassung verabreicht werden.

In Deutschland, den USA und auch in Kanada dagegen sind die Impfkampagnen bereits im Gang – allerdings nicht grossflächig. Die Schweiz will jedoch nicht zum Impfen ausrufen. Denn die Behörden gehen nicht von einer Gefahr für die Bevölkerung aus. (man)

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