Ein Schweizer Fetischist packt aus
Er war auf dem Festival, das die Affenpocken verbreitete

Nach einem Fetischisten-Festival in Antwerpen bestätigten die belgischen Behörden drei Fälle des Affenpocken-Virus. Ein Schweizer, der dort war, berichtet für Blick über seine Befürchtungen, dass seine Gemeinschaft stigmatisiert werden könnte.
Publiziert: 30.05.2022 um 18:07 Uhr
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Aktualisiert: 01.06.2022 um 17:35 Uhr
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War das Fetischisten-Festival Darkland in Antwerpen rückblickend ein Superspreader-Event?
Adrien Schnarrenberger

Régis*, ein Romands Mitte 50, war einer von 5000 Leder-, und Latexbegeisterten, die Anfang Monats in die nordbelgische Stadt Antwerpen reisten. Ihr Ziel: Das Fetisch-Festival Darkland. «Zwei Jahre lang hat Covid fast alle physischen Veranstaltungen verhindert», erzählt Régis. «Jeder wollte ans Darklands-Festival kommen, um die verlorene Zeit nachzuholen.»

Am Freitag erhielten Régis und Tausende andere Besucher aus ganz Europa und der USA eine beunruhigende E-Mail. «Der belgische Gesundheitsdienst bestätigte drei Fälle von Affenpocken, die mit unserem Festival in Verbindung stehen,» schrieben die Organisatoren. Die Festivalbesucher wurden gebeten, wachsam zu sein und auf Symptome zu achten, die während der dreiwöchigen Inkubationszeit der Krankheit auftreten könnten.

Glücklicherweise wurde beim Kauf der Festivalkarten eine E-Mail-Adresse verlangt, was das Anschreiben aller Festivalgänger erleichterte. Die Nachricht verbreitete sich zudem schnell über die sozialen Medien.

Das ist der Ursprung des Virus
4:22
Affenpocken breiten sich aus:Das ist der Ursprung des Virus

Eine «Katastrophe» vor den Prides

Hat Régis, der zusammen mit seinem 25-jährigen Fetisch-Partner Michaël* am Darklands war, Angst vor dieser potenziellen Epidemie? Sie hätten sich immer geschützt, sagt Régis, und im Gegensatz zu anderen Besuchern an dem Festival keine unterschiedlichen Partner gehabt.

Sorgen bereitet Régis allerdings die Stigmatisierung, die der Fetisch-Gemeinschaft wie auch anderen Communities aus der LGTBQ+-Szene droht. Denn Affenpocken werden durch Tröpfchen, Sekrete und Blut sowie engen Körperkontakt übertragen. Régis, der die Aids-Epidemie der 80er-Jahre miterlebt hat, ist deshalb umso entsetzter darüber, wie unbekümmert sich Jugendliche in seiner Community verhalten. «Sie benutzen kaum noch Kondome,» berichtet er.

Das musst du über das Affenpocken-Virus wissen

Die Fälle von Affenpocken häufen sich in Europa wie auch in den USA und Kanada. Weltweit wird zur Wachsamkeit aufgerufen, in der Schweiz zeigt man sich noch nicht besorgt. Blick beantwortet die drängendsten Fragen zum Thema.

Die Fälle von Affenpocken häufen sich in Europa wie auch in den USA und Kanada. Weltweit wird zur Wachsamkeit aufgerufen, in der Schweiz zeigt man sich noch nicht besorgt. Blick beantwortet die drängendsten Fragen zum Thema.

Neue Pille gegen Aids – aber nicht gegen Affenpocken

Die Ursache für das neue Verhalten lautet «PrEP», was für präventive HIV-Therapie steht. Dabei handelt es sich um eine verschreibungspflichtige Pille, ähnlich wie die Pille, die Frauen zur Empfängnisverhütung einnehmen können. Laut Régis hat diese Neuheit in den letzten drei oder vier Jahren viele enthemmt. «Gegen Aids ist die Pille genauso wirksam wie ein Kondom, aber sie schützt nicht vor anderen sexuell übertragbaren Krankheiten.»

Vor diesem Hintergrund sind die Affenpocken eine tickende Zeitbombe, die angesichts der «Saisoneröffnung» zum ungünstigsten Zeitpunkt über der Fetisch-Szene schwebt. Treffen wie das Festival in Antwerpen sind im Spätsommer in London und in Berlin — dem Mekka der Szene — geplant. «Und das ist noch nicht alles,» sagt Régis. «Die Zeit der Prides, der Feste für sexuelle Minderheiten, beginnt gerade. Das ist eine potenzielle Katastrophe.»

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Impfstoff in der Schweiz nicht zugelassen

Die Schweizer Behörden beruhigen. Am Sonntag versicherte Linda Nartey, die Vizedirektorin des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), dass es «im Moment» keinen Grund zur Sorge bezüglich der Affenpocken gebe. Ein Grund sei, dass für eine Infektion ein enger Kontakt erforderlich sei – anders als beim Coronavirus. Gemäss Nartey prüft der Bund derzeit trotzdem die Beschaffung eines Impfstoffs. Ein Pockenimpfstoff der dritten Generation, der auch Schutz gegen Affenpocken bietet, ist zwar in der Europäischen Union zugelassen, laut BAG aber nicht in der Schweiz.

Bis Samstag wurden laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 92 bestätigte Fälle in zwölf Ländern sowie 28 Verdachtsfälle gezählt. Im Vereinigten Königreich, wo Anfang des Monats der erste Fall aufgetreten war, werden nach Angaben der britischen Behörden jeden Tag neue Fälle registriert. «Zwangsläufig wird sich die Frage stellen, ob wir es nicht mit dem Beginn einer Pandemie zu tun haben,» sagte der Genfer Infektiologe Didier Pittet dem «Journal du dimanche».

*Namen der Redaktion bekannt

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