In Indien schlägt der Covid-Hammer mit voller Wucht zu. In einem Tag wurden über 350'000 Neuansteckungen und fast 3000 Tote gemeldet. Die Dunkelziffer dürfte noch um einiges höher liegen. Epidemiologen reden vom zwei- bis fünffachen Wert.
Im ganzen Land herrschen schreckliche Zustände. An den Einäscherungsplätzen brennen die Scheiterhaufen Tag und Nacht, während Angehörige laufend ihre Verstorbenen bringen. Im Krematorium in Ghazipur musste ein Parkplatz umgewandelt werden, um weitere 20 Verbrennungsplätze zu schaffen.
Massenveranstaltungen trotz Corona
Für die explodierenden Zahlen gibt es zwei Hauptgründe: die indische Doppelmutation B.1.617 sowie die Sorglosigkeit im Umgang mit der Pandemie.
Die bereits gelockerten Schutzmassnahmen werden im 1,3 Milliarden Einwohner zählenden Land nur noch schlecht befolgt, nachdem die Infektionszahlen Anfang Jahr tiefe Werte erreicht hatten und unter 10'000 Neuansteckungen pro Tag gefallen waren.
So trafen sich Ende März trotz Verbot in mehreren Bundesstaaten Hunderttausende zum hinduistischen Farben-Fest Holi, bei dem der Sieg des Guten über das Böse und der Frühlingsanfang gefeiert werden. Auch fanden viele Massenveranstaltungen für Regionalwahlen statt.
60 Prozent sind Mutation
Seit der Entdeckung der Doppelmutante im März macht B.1.617 inzwischen rund 60 Prozent der Neuinfektionen aus. Eine Mutation hilft dem Virus, dem menschlichen Immunsystem auszuweichen, die andere Mutation sorgt für eine effiziente Verbreitung.
Das Pflegepersonal ist im Dauereinsatz. Es fehlt an Betten, Sauerstoff und Medikamenten. Im «Indian Express» sagt Ärztin Geetika Sharma, die täglich 16 bis 18 Stunden im Einsatz steht: «Wir haben keine Zeit für irgendetwas anderes, nicht einmal für unsere Familien. Alle Angestellten leiden – körperlich und seelisch.»
Die Regierung unter dem hindu-nationalistischen Premierminister Narendra Modi (70) wischt das Problem unter den Teppich. Auf Druck der Regierung musste Twitter dutzende kritische Tweets löschen, die sich mit dem Versagen der Regierung auseinandersetzten.
Schweiz setzt Indien auf Risikoliste
Um die Ausbreitung einzudämmen, haben mehrere Länder die Einreisebestimmungen für Personen aus Indien verschärft, so Deutschland und Italien.
Auch in der Schweiz ist die indische Variante schon aufgetaucht, und zwar im Kanton Solothurn. Laut BAG handelt es sich bei der betroffenen Person um einen Passagier, der über einen Transitflughafen in die Schweiz eingereist war. Am Montag handelte das BAG: Es setzte Indien kurzfristig ab 18 Uhr auf die Risikoliste.
Selbst der Erzfeind bietet Hilfe an
Viele Inder versuchen, das Land zu verlassen, vor allem Destinationen wie Saudi-Arabien und die USA sind gefragt. Wegen des Andrangs schiessen die Ticketpreise für die Flüge bis um das Elffache in die Höhe.
Aus westlichen Ländern werden Medikamente, Schnelltests, Beatmungsgeräte, Schutzausrüstung, Sauerstoff und Rohmaterialien zur Impfstoffproduktion nach Indien geschickt. Sogar Pakistan bietet seinem Erzrivalen die Lieferung medizinischer Güter an.