Hunderte stehen Schlange vor Passamt
Taliban stellen wieder Reisepässe für Afghanen aus

Die radikalislamische Taliban-Regierung in Afghanistan stellt wieder Reisepässe an ihre Bürgerinnen und Bürger aus. Am Sonntagmorgen warteten hunderte Afghanen vor dem Passamt in Kabul, um ihre Dokumente zu beantragen.
Publiziert: 19.12.2021 um 14:11 Uhr
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Menschen stehen vor dem Passamt in der afghanischen Hauptstadt Kabul Schlange.
Foto: AFP

Die radikalislamische Taliban-Regierung in Afghanistan hat damit begonnen, Reisepässe für ihre Staatsbürger auszustellen. Alle «technischen Probleme» seien gelöst, sagte am Samstag der Chef der Pass-Abteilung im Innenministerium, Alam Gul Hakkani. Bereits am Sonntag bildeten sich vor dem Passamt in der Hauptstadt Kabul lange Schlangen mit hunderten Menschen. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Michael Roth (SPD), rief zur Aufnahme weiterer Afghanen auf.

Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt standen am Sonntagmorgen hunderte Menschen vor dem Passamt in Kabul an. Viele hatten sich bereits in der Nacht dort eingefunden. Unter ihnen waren Menschen, die dringend einer medizinischen Behandlung im Ausland bedürfen, sowie Gegner der neuen Taliban-Regierung. So sagte der 60-jährige Mohammed Osman Akbari, er brauche dringend eine Herzoperation in Pakistan, die im maroden afghanischen Gesundheitssystem nicht möglich sei.

Passamt wurde im Oktober wegen «technischen Problemen» geschlossen

Rund um das Passamt waren zahlreiche Sicherheitskräfte der Taliban-Regierung im Einsatz. «Wir wollen nicht, dass sich ein Selbstmordanschlag oder eine Explosion ereignet», sagte einer von ihnen der Nachrichtenagentur AFP. Der örtliche Ableger der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hatte Ende August mehr als 150 Menschen bei einem Anschlag am Kabuler Flughafen getötet, als dort zahlreiche Menschen verzweifelt versuchten, das Land zu verlassen.

Die Taliban hatten die Ausstellung von Reisepässen kurz nach ihrer Machtübernahme Mitte August gestoppt. Im Oktober wurde das Passbüro in Kabul neu geöffnet - und wenige Tage später wieder geschlossen, weil die Technik und vor allem die Verarbeitung biometrischer Daten unter dem Ansturm tausender Antragsteller zusammenbrachen.

Diese Technikprobleme seien nun gelöst, versicherte Abteilungsleiter Hakkani. Zunächst sollten ab Sonntag bereits beantragte Pässe ausgegeben werden. Ab dem 10. Januar würden dann neue Anträge angenommen. Die Ausgabe von Pässen gilt als wichtiges Kriterium für die Erfüllung der Taliban-Zusage an die internationale Gemeinschaft, ausreisewilligen Staatsbürgern auch wirklich das Verlassen des Landes zu ermöglichen.

SPD-Politiker für weitere Aufnahme von Afghanen in Deutschland

Der neue Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags und frühere Staatsminister im Auswärtigen Amt, Roth, (SPD), forderte die Bundesregierung auf, die Versprechen der Vorgängerregierung zur Aufnahme von Afghanen uneingeschränkt zu erfüllen. «Das schulden wir diesen Menschen dort», sagte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk. Er werde «immer wieder nachhaken, kritisch nachfragen, dass diesen konkreten Zusagen auch Taten folgen.»

Für ihn zähle es zu den dunkelsten Momenten in seiner achtjährigen Arbeit im Auswärtigen Amt, dass es noch nicht gelungen sei, frühere Ortskräfte und andere gefährdete Menschen aus Afghanistan nach Deutschland in Sicherheit zu bringen. «Ich werde erst dann wieder halbwegs ruhig schlafen können in dieser Frage, wenn ich weiss, die sind hier», sagte Roth.

Beim Abzug der Bundeswehr und anderer deutscher Institutionen waren tausende einheimische Mitarbeiter in dem Land zurückgelassen worden. Die Bundesregierung bemüht sich um ihre Ausreise, da viele von ihnen Racheakte der Taliban befürchten. Die Taliban hatten Mitte August die Macht in Afghanistan übernommen. (AFP/chs)

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