Sie ist nur ein Drittel so gross wie die Schweiz und zählt gerade mal knapp eine Million Einwohnerinnen und Einwohner: Doch die kleine russische Exklave Kaliningrad – eingeklemmt zwischen Polen, Litauen und der Ostsee – ist für den Kreml einer der wichtigsten Stützpunkte überhaupt. Sie spielt daher auch im aktuellen Konflikt mit dem Westen eine zentrale Rolle.
In der kleinsten russischen Oblast, wie die russischen Verwaltungsgebiete genannt werden, hat Moskau die Ostsee-Flotte sowie Landstreitkräfte und eine mit Kampfjets, Bombern und Helikoptern ausgestattete Luftwaffe stationiert. Zudem steht hier ein Frühwarnsystem.
2018 wurden die nuklearwaffenfähigen Iskander-M-Raketen positioniert – zur grossen Beunruhigung der Nato und Europa. Denn die Oblast liegt zwischen Polen und Litauen, zwei Ländern, die sowohl Nato- als auch EU-Mitglied sind.
Auch Schweden rüstet auf
Auch die Schweden sind besorgt: Ihre Insel Gotland, wo Pippi Langstrumpfs Villa Kunterbunt jährlich Tausende Touristen anzieht, liegt in nur 300 Kilometern Entfernung. Nach Berlin ists mit 500 Kilometern nicht viel weiter.
Schweden hat 2017 die Wehrpflicht wieder eingeführt und ist in diesen Monaten auf der praktisch entmilitarisierten Insel wieder mit Panzern aufgefahren. Der sozialdemokratische Verteidigungsminister Peter Hultqvist (63) sagte vor wenigen Tagen: «Ein Angriff kann nicht ausgeschlossen werden. Wir treffen Massnahmen, um die Verteidigung Schwedens zu signalisieren.»
Die Stadt Kaliningrad, früher Königsberg, und ein Teil des nördlichen Ostpreussens wurden nach dem Zweiten Weltkrieg auf Druck von Staats- und Parteichef Josef Stalin (1878–1953) der Sowjetunion zugeschlagen. 1946 liess Stalin die Stadt nach dem kurz zuvor verstorbenen formellen sowjetischen Staatsoberhaupt Michail Kalinin (1875–1946) umbenennen.
Um die Spuren der deutschen Vergangenheit zu beseitigen, wurden auch die Orte und Strassen umbenannt. Bis 1991 durften Ausländer das Gebiet nicht betreten.
Kaliningrad ist Schweizer Sportfans in guter Erinnerung. An der WM 2018 schlug die Nati das Team von Serbien mit 2:1 und erreichte vor 33’000 Zuschauern den Achtelfinal. (gf)
Die Stadt Kaliningrad, früher Königsberg, und ein Teil des nördlichen Ostpreussens wurden nach dem Zweiten Weltkrieg auf Druck von Staats- und Parteichef Josef Stalin (1878–1953) der Sowjetunion zugeschlagen. 1946 liess Stalin die Stadt nach dem kurz zuvor verstorbenen formellen sowjetischen Staatsoberhaupt Michail Kalinin (1875–1946) umbenennen.
Um die Spuren der deutschen Vergangenheit zu beseitigen, wurden auch die Orte und Strassen umbenannt. Bis 1991 durften Ausländer das Gebiet nicht betreten.
Kaliningrad ist Schweizer Sportfans in guter Erinnerung. An der WM 2018 schlug die Nati das Team von Serbien mit 2:1 und erreichte vor 33’000 Zuschauern den Achtelfinal. (gf)
Seit sich die drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland nach dem Zerfall der Sowjetunion immer mehr dem Westen zuwenden und alle der Nato beigetreten sind, fehlt Moskau ein Puffer nach Europa. Daher hat die Exklave für den Kreml nochmals an Bedeutung gewonnen.
Verschafft sich Putin Zugang?
Das Problem besteht aber im Zugang. Er erfolgt über den See- oder Luftweg. Wer mit dem Auto oder der Bahn auf dem Landweg reisen will, muss Litauen oder auch Lettland durchqueren und somit eine grosse Grenzkontroll-Administration auf sich nehmen.
Mehr zum Konflikt an der ukrainischen Grenze
Die Angst ist daher gross, dass sich Putin gewaltsam einen Landkorridor zur Exklave verschaffen und somit einen Spaltkeil in die Nato rammen könnte. Die sogenannte Suwalki-Lücke – die Passage am Grenzverlauf zwischen Polen und Litauen – gilt als Achillesferse der Nato. Sie ist die zerbrechliche Verbindung der baltischen Staaten zum schützenden westlichen Militärbündnis.
Aggression vom Zug aus
Für russische Militär-Lieferungen besteht heute ein Eisenbahntransit durch Litauen. «Das ist eine Bedrohung für uns», sagt Vytautas Bruveris (48), bekannter Politkommentator der grössten litauischen Zeitung «Lietuvos Rytas», zu Blick. Kein Wunder. Denn wenn Putin wollte, dann könnte er einfach handeln. Bruveris: «Es wäre für die Russen ein Leichtes, die Züge irgendwo in unserem Land zu stoppen und von da aus Gebiete zu besetzen.»
Er schliesst nicht aus, dass der Konflikt an der ukrainischen Grenze auch auf die Region um Kaliningrad überschwappen könnte. «Das hoch militarisierte Kaliningrad wird Russland in Zukunft als Erpressungsmittel gegen den Westen dienen», sagt Bruveris.
Nicht auszuschliessen
Wie schätzt der neutrale Beobachter die Gefahrenlage ein? Der Schweizer Alexander Hug (49), der beim Krim-Konflikt Stellvertretender Leiter der OSZE-Sonderbeobachtermission in der Ostukraine war, sagt gegenüber Blick: «Ein erzwungener oder erkämpfter Landkorridor, um Kaliningrad mit Belarus oder Russland zu verbinden, würde einem offenen Konflikt zwischen diesen Ländern und dem Nato-Mitgliedstaat Litauen oder eventuell auch Lettland gleichkommen. Ein solches Vorgehen von Moskau ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht auszuschliessen, aber eher unwahrscheinlich.»
Hug appelliert an alle: «Um dieser Gefahrenlage entgegenzuwirken, bedarf es eines weitergehenden ruhigen Dialoges zwischen allen Beteiligten und der unabhängigen Überwachung und Verifikation der Lage.»