Das Säbelrasseln geht weiter. Nach Erkenntnissen westlicher Geheimdienste hat Russland seinen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine zuletzt in hohem Tempo fortgesetzt. Es könne davon ausgegangen werden, dass mittlerweile bis zu 120'000 Soldaten in dem Gebiet seien, sagte ein ranghoher Nachrichtendienstvertreter der Deutschen Presse-Agentur. Nicht miteingerechnet seien dabei die bewaffneten Kräfte der von Russland kontrollierten Separatisten im Donbass. Sie werden auf rund 35'000 beziffert.
Um die Ukraine in dieser Situation zu unterstützen, hat Deutschland angekündigt, 5000 Militärhelme zu schicken. Dabei hatte das Land nach Waffen gefragt. Dies wurde aber verweigert. Dementsprechend schlecht ist die Stimmung in der Ukraine.
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko warf der Bundesregierung vor, die Gefährdung durch Russland zu unterschätzen. Und der Ex-Box-Weltmeister ist sauer. «5000 Helme sind ein absoluter Witz», so Klitschko zur «Bild»-Zeitung.
Und er legte nach: «Was will Deutschland als Nächstes zur Unterstützung schicken? Kopfkissen?» Ihn mache «das Verhalten der deutschen Bundesregierung nur noch sprachlos.» Man habe wohl nicht verstanden, dass die russische Armee perfekt ausgerüstet sei und jederzeit mit einer Invasion beginnen könne. Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, spricht von «nicht nachvollziehbarer Verweigerung».
«Das ist ein verheerendes Signal nicht nur an die Ukraine»
In Deutschland selbst gibts für die Mini-Hilfe vor allem Spott in sozialen Netzwerken. «Wie lächerlich kann man sich machen? Deutschland: ja», schreibt der Ressortleiter Nachrichten & Gesellschaft der Zeitung «Welt». Andere schlagen vor, dass Deutschland ja auch Karnevalsmützen oder lustige Pflaster schicken könnte.
Aber auch in Deutschland selbst gibt es Gegenwind. Der CDU-Aussenpolitiker Roderich Kiesewetter kritisierte das Nein der Bundesregierung zu Waffenlieferungen an die Ukraine. «Das ist ein verheerendes Signal nicht nur an die Ukraine, sondern auch an unsere Bündnispartner», sagte er dem «Spiegel».
Er sagte weiter, die Ukraine könne Fernmeldeaufklärung und Störsender gegen russische Kommunikation gut gebrauchen. Zudem benötige Kiew dringend Panzerabwehrtechnologie, Flugabwehrraketen sowie Scharfschützengewehre und Nachtsichtgeräte. Kiesewetter schlug vor, «solche Lieferungen an Bedingungen zu knüpfen und die Ukraine vertraglich zu verpflichten, die Waffen nach einer bestimmten Zeit wieder zurückzugeben».
Baerbock verteidigt Kurs
Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat die Absage Berlins an eine Lieferung von Waffen in die Ukraine verteidigt. Den aussenpolitischen Kurs in dieser Frage um 180 Grad zu drehen, «das sollte man schon bei vollem Bewusstsein tun und vor allen Dingen damit nicht Türen für Deeskalation verschliessen, die sich gerade in diesem Moment so zaghaft wieder öffnen», sagte Baerbock am Donnerstag im Bundestag mit Blick auf die Wiederaufnahme von Gesprächen.
Deutschland unterstütze die Ukraine auch militärisch, sagte sie. Baerbock nannte die Lieferung von Schutzhelmen, den Bau von Schutzbunkern und die Ausbildung ukrainischer Soldaten. Der Dialog habe aber absolute Priorität. «Wer redet, der schiesst nicht. Daher ist es fatal, die Wiederaufnahme von Dialog jetzt einfach so abzutun», sagte Baerbock. Die deutsche Regierung setze auch weiter darauf, die Ukraine wirtschaftlich und finanziell zu stärken.
«Geste der Solidarität»
Tschechien wird im Gegensatz zu Deutschland der Ukraine 4000 Artilleriegranaten zur Verfügung stellen. «Die Granaten werden in den nächsten Tagen in die Ukraine geliefert», sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Prag am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. Das «Geschenk» hat demnach einen Wert von 36,6 Millionen Kronen (1,5 Millionen Euro).
Verteidigungsministerin Jana Cernochova bezeichnete die Waffenlieferung als «Geste der Solidarität». Wegen eines massiven russischen Truppenaufmarschs an der Grenze zur Ukraine befürchtet der Westen, dass Russland einen Einmarsch in das Nachbarland vorbereitet. Die Regierung in Moskau bestreitet das. Tschechien ist seit 1999 Mitglied der Nato. (SDA/AFP/jmh)