Der Westen zieht die Zügel an. US-Präsident Joe Biden (79) befürchtet in der Ukraine «die grösste Invasion seit dem Zweiten Weltkrieg» – und ist offenbar nicht bereit, das hinzunehmen.
Die USA und ihre Verbündeten drohen Moskau für den Fall, dass auch nur ein russischer Soldat die Grenze überquert, mit «schnellen und harten Konsequenzen». Neben militärischen Schlägen sind folgende Sanktionen möglich:
- ein Stopp der deutsch-russischen Gas-Pipeline Nord Stream 2
- Sanktionen gegen Putin und sein Umfeld
- ein Technologie-Embargo
- Finanzsanktionen – darunter der Ausschluss aus dem Swift-System
- Sanktionen gegen Putins Umfeld
- Sanktionen gegen Putin selbst
- Der russische Staatspräsident zeigt sich davon bislang unbeeindruckt. Warum? Blick zeigt die Gründe.
1. Putin will seinen «Vorhof» zu Europa kontrollieren
«Was die USA in der Ukraine tun, liegt vor unserer Haustür. Und sie sollten verstehen, dass wir uns nirgendwo mehr zurückziehen können. Glauben sie, wir sehen nur tatenlos zu?», sagte Putin im Dezember gegenüber Militärbeamten.
Wie schon die russischen Führer vor ihm hat Putin das Gefühl, dass die Ukraine seine «Pufferzone» Richtung Westen sei, analysiert der Aussenpolitik-Experte Tim Marshall in seinem Bestseller «Die Macht der Geographie». Hätte Gott in der Ostukraine Berge gebaut, «dann wäre die grosse Fläche der europäischen Tiefebene kein so einladendes Gebiet für die Invasoren gewesen, die Russland im Laufe der Geschichte immer wieder von dort aus angegriffen haben».
2. Die Krim-Annexion war zu erfolgreich
Der Westen konnte der völkerrechtswidrigen Krim-Annexion 2014 nicht genug entgegensetzen.
Zwar wertet etwa die Denkfabrik Atlantic Council die darauffolgenden Sanktionen als effektiv, weil sie Putins Militäroffensive in der Ukraine stoppten und die Wirtschaft empfindlich trafen, doch Moskau hat gelernt, damit zu leben.
Im Jahr 2016 bekräftigte die Uno-Generalversammlung die Nichtanerkennung der Annexion und verurteilte «die vorübergehende Besetzung der Krim» – doch faktisch hat es Russland geschafft, sich die Krim einzuverleiben.
3. China steht hinter Russland
Russland hat seine Beziehungen zu China in den vergangenen Jahren intensiviert – auch militärisch. Peking unterstützt auch Moskaus Sicherheitsforderungen an die Nato und könnte helfen, die Folgen von Wirtschaftssanktionen abzufedern.
Die beiden Länder eint die Abneigung gegen den Westen – und die Spannungen rund um die Nachbarländer. Der Westen sorgt sich, dass sich China einen erfolgreichen russischen Einmarsch in die Ukraine als Vorbild für eine Invasion in Taiwan nimmt.
4. Das Militär ist so stark wie noch nie
Die russische Armee ist eine der grössten der Welt. Inklusive Reservisten könnte die Anzahl der Streitkräfte sogar die der USA übersteigen.
Besonders stark ist das Militär aber nicht wegen seiner Manpower, sondern wegen seiner fortschrittlichen Waffen und Cyberkriegsführung.
«Russland ist eine wirtschaftliche Macht im Niedergang (...), aber sie ist trotzdem eine Bedrohung und Herausforderung», sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Dezember in einem TV-Interview. «Nicht zuletzt, weil Russland Atomwaffen hat. Und Russland investiert in neue moderne militärische Fähigkeiten, stationiert neue Hyperschallraketen und auch neue atomwaffenfähige Raketen, die hier in Europa stationiert sind. Und deshalb müssen wir das sehr ernst nehmen.»
5. Putin glaubt, dass er gewinnen kann
Mit der offensichtlichen Drohgebärde an der ukrainischen Grenze hat der russische Staatspräsident die strategischen Linien bereits verschoben. «Auch ohne Angriff gibt es in der Region eine neue Sicherheitsrealität; wir debattieren Dinge, die vor der Eskalation nicht diskutierbar waren», sagt die Sicherheitsexpertin Molly McKew gegenüber «Politico».
Die bekannte Präsidenten-Beraterin und Sicherheitsexpertin Fiona Hill schreibt in der «New York Times», Putins Ziel sei es, die Vereinigten Staaten aus Europa zu vertreiben – und er habe sie aktuell genau da, wo er sie haben wolle: zu Hause geschwächt, nach aussen auf dem Rückzug.