Sie ist durch die Hölle gegangen und weiss gar nicht so recht warum. Jetzt sitzt das kleine Mädchen (9), das nur Sasha genannt wird, auf einem Bett im Spital in Kiew. Die Ärzte mussten ihr den linken Arm amputieren, sonst wäre sie gestorben.
Russen hatten auf das Kind und seine Familie geschossen, als sie aus Hostomel, einem Vorort von Kiew, flüchten wollten. Die Kugeln trafen das Auto. Sashas Vater wurde dabei getötet. Ihre Mutter und Schwester konnten sich gemeinsam mit ihr aus dem Wagen retten und in einem Keller in der Nähe Schutz suchen.
«Ich wurde am Arm getroffen und bin meiner Schwester hinterhergelaufen. Meine Mutter fiel plötzlich zu Boden. Ich dachte, das wäre das Ende. Aber sie war nicht tot, sie hatte sich nur vor den Schüssen geschützt», sagt Sasha zur «Daily Mail». Ob die Mutter und die Schwester bei dem Angriff verletzt wurden, ist nichts bekannt.
«Bin so wütend auf die, die Kinder erschiessen und verstümmeln»
Die Kleine verlor auf der Flucht vor den tödlichen Kugeln Blut und dann das Bewusstsein. Zwei Tage musste die Familie mit anderen Geflüchteten in dem Keller ausharren, während draussen immer wieder Schüsse fielen. Danach brachten Zivilisten, die eine weisse Fahne dabei hatten, das Mädchen auf einem Handtuch ins Spital, wo sie medizinisch versorgt wurde. Dort stellen die Ärzte dann fest, dass sich in den zwei Tagen Wundbrand gebildet hatte. Der linke Arm musste amputiert werden, um das Leben der Kleinen zu retten.
Wieso die Russen auf ihre Familie schossen, kann Sasha nicht verstehen. «Ich weiss nicht, warum die Russen auf mich geschossen haben. Ich hoffe, dass es ein Unfall war, und dass sie mich nicht verletzen wollten.»
Eine Krankenschwester, die Sasha im Spital versorgte, lobte das Mädchen für seine Stärke und seinen Mut. «Sie fragte, ob sie einen neuen rosa, mit Blumen bemalten künstlichen Arm bekommen könne», wird sie von der «Daily Mail» zitiert. Dass die Russen auch auf Kinder schiessen, macht die Krankenschwester fassungslos. «Ich bin so wütend und empfinde so viel Hass gegenüber denjenigen, die Kinder erschiessen und verstümmeln.»
Mehr als zwei Millionen Menschen auf der Flucht
Am Dienstag hatten erstmals Zivilisten über einen Fluchtkorridor aus der heftig umkämpften Stadt Sumy im Nordosten der Ukraine in Sicherheit gebracht werden können. Daraufhin hatten Kiew und Moskau die Einrichtung mehrerer weiterer Fluchtkorridore für Mittwoch verkündet, darunter für die Städte Irpin, Butscha und Hostomel nahe Kiew. Mehrere Versuche, sichere Fluchtrouten zu schaffen, waren zuvor fehlgeschlagen. Moskau und Kiew hatten sich dafür gegenseitig die Schuld gegeben.
Insgesamt sind mittlerweile nach UN-Angaben rund 2,2 Millionen Menschen vor dem russischen Angriffskrieg aus der Ukraine geflohen. Für Aufregung hatten zuletzt Berichte über die Bombardierung einer Kinderklinik in der seit neun Tagen belagerten Hafenstadt Mariupol gesorgt. Nach Angaben der ukrainischen Verwaltung sind bei den Kämpfen in der Stadt mehr als 1200 Zivilisten getötet worden. (jmh/AFP)