In Zeiten schwerer politischer Spannungen zwischen den USA und China haben sich die Präsidenten Joe Biden (74) und Xi Jinping (69) erstmals zu einem Gespräch auf höchster Ebene getroffen. Die beiden Staatschefs kamen am Montag vor dem G20-Gipfel der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer auf der indonesischen Ferieninsel Bali zusammen. Seit Bidens Wahlsieg vor zwei Jahren hatten sie mehrfach miteinander telefoniert, sich aber nicht persönlich gesehen. Die beiden begrüssten sich mit Handschlag.
Xi sagte zum Auftakt des auf mehrere Stunden angesetzten Treffens, die Beziehungen stünden «vor einer Menge Herausforderungen». «Als Führer von zwei grossen Ländern müssen wir den richtigen Weg (...) vorgeben, während wir uns vorwärtsbewegen.»
Nach den Gesprächen äusserten sich beide Staatschefs zu den Gesprächen. US-Präsident Biden hält die politischen Auseinandersetzungen der USA mit China für lösbar. Es müsse keinen «neuen Kalten Krieg» geben, sagte Biden. Sie hätten offen und klar miteinander gesprochen und beide Seiten hätten die Aussage und Meinung des jeweils anderen verstanden.
Atom-Drohung verurteilt
Biden betonte zugleich, er gehe sehr vorsichtig vor, damit es keine Missverständnisse in den Gesprächen gebe. «Das ist die grösste Sorge, die ich habe: Ein Missverständnis über Absichten oder Handlungen auf einer der Seiten», sagte Biden.
Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg verurteilten zudem beide Präsidenten russische Drohungen mit dem Einsatz von Atomwaffen. Beide Seiten stimmten nach US-Angaben auch überein, dass «ein Atomkrieg niemals geführt werden sollte.» Solch ein Krieg könne auch niemals gewonnen werden.
Wörtlich hiess es in der Mitteilung, die beiden Präsidenten hätten ihre Ablehnung «gegen den Einsatz von oder die Drohung mit Atomwaffen in der Ukraine» bekräftigt, Biden habe sich zudem besorgt über ein «provokatives Verhalten» Nordkoreas geäussert, so das Weisse Haus. Die gesamte internationale Gemeinschaft habe Interesse daran, Nordkorea zu verantwortungsvollem Handeln zu bewegen. Von chinesischer Seite gab es zu dem Gespräch zunächst keinen Kommentar.
USA wollten «rote Linien» aufzeigen
Vor dem Gespräch hatte Biden angekündigt, Xi «rote Linien» aufzeigen zu wollen. «Es gibt nur sehr wenige Missverständnisse zwischen uns. Wir müssen nur herausfinden, wo die roten Linien sind – und was in den nächsten zwei Jahren die wichtigsten Dinge für jeden von uns sind.» Die Beziehungen zwischen Washington und Peking sind seit einiger Zeit auf einem Tiefstand. Beide Staaten stehen zunehmend in Konkurrenz.
Sowohl die USA als auch China gehören den G20 an, deren Staats- und Regierungschefs sich an diesem Dienstag und Mittwoch auf Bali zu ihrem alljährlichen Gipfel versammeln. Ursprünglich wurde dazu auch Russlands Präsident Wladimir Putin erwartet, der wegen des Kriegs in der Ukraine international massiv in der Kritik steht. Der Kremlchef lässt sich nun jedoch von Aussenminister Sergej Lawrow vertreten.
Lange Liste der Streitthemen
Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan hatte vor dem Treffen gemeint: «Der Präsident sieht die USA und China in einem harten Wettbewerb. Aber dieser Wettbewerb sollte nicht in einen Konflikt oder eine Konfrontation umkippen und verantwortlich geregelt werden.» Alle Länder sollten gemäss einer Reihe von «gut etablierten und vereinbarten Regeln» agieren. Dabei sollte «auf den Einsatz von Einschüchterung, Zwang oder Aggression» verzichtet werden. Zuvor hatten sich Biden und Xi beim Weltwirtschaftsforum in Davos 2017 getroffen. Damals war Biden Vizepräsident unter Barack Obama.
Die Liste der Streitthemen ist lang: Chinas Rückendeckung für Putin nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine, der Handelskrieg zwischen beiden Staaten, die chinesischen Drohungen gegen das demokratische Taiwan und die Territorialansprüche im Südchinesischen Meer. China wiederum wirft den USA vor, seinen Aufstieg in der Welt behindern zu wollen. Die USA sehen China zunehmend als Rivalen und Bedrohung.
Ziel des Gesprächs sei es auch, Bereiche zu finden, in denen die Interessen übereinstimmten, sagte Sullivan. Als Beispiele nannte er den Klimawandel und die Gesundheit der eigenen Bevölkerung. Biden hält sich seit Sonntag auf Bali auf. Am Montag traf er zunächst Indonesiens Präsidenten Joko Widodo. Die US-Regierung kündigte an, das riesige Land mit mehr als 275 Millionen Einwohnern in den Bereichen Klimaschutz und Entwicklungshilfe stärker zu unterstützen. (SDA)