Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz kam nach Peking, um Geschäfte zu machen. So wie vor ihm Angela Merkel auch. Ein Tross von Wirtschafts-Alphas, die mit dem Regierungschef anreisen, vermittelt ein gewohntes Bild. Es gibt keinen grösseren Spagat zwischen ökonomischen Interessen und moralischer Verpflichtung. Auf der einen Seite diejenigen, die grosse Werke in der Volksrepublik unterhalten, unter anderem in der Völkermord-Provinz Xinjiang. Auf der anderen Seite der Vertreter eines demokratischen Landes, das sich Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verpflichtet hat. Auf der einen Seite Quartalsergebnisse und eigener Profit, auf der anderen freiheitliche Werte mit überzeitlichem Anspruch.
Diese Interessen standen im Widerstreit, als es in den vergangenen Wochen um eine Beteiligung der Volksrepublik am Hamburger Hafen ging. Gewonnen haben Profit und Kurzsichtigkeit. Olaf Scholz hat die Interessen der Wirtschaft durchgeboxt, gegen den Rat der führenden Sinologen Hamburgs, gegen den Willen seiner Koalitionspartner FDP und Grüne und gegen den Willen der EU. Dass der Kanzler sagt, er reise auch als Europäer nach Peking, kann angesichts dieser Vorgeschichte nur als Chuzpe gedeutet werden.
Aus dem Desaster der Energieabhängigkeit von Russland, das vor allem SPD-Kanzler den Deutschen eingebrockt haben, hat der Kanzler nichts gelernt. Denn mit Autokraten kann man nicht verhandeln.
Im politischen Berlin rümpft man gern die Nase, wenn man argumentiert, dass es neben der Rationalität auch andere Gründe geben könnte, die Potentaten wie Xi oder Putin bewegen. Denn lange Zeit galt das Diktum eines anderen SPD-Kanzlers, wonach jeder, der Visionen habe, zum Arzt gehen solle, als Massgabe der Politik.
Belächelt wurde deshalb auch, als Franzosen, Engländer und Amerikaner die Deutschen warnten, den Ausbau der Kommunikationsnetze nicht dem chinesischen Konzern Huawei zu übertragen. Schliesslich bekommen die Chinesen ja Geld dafür, welche anderen Werte sollten sie schon leiten? Peking wird aber nicht von Rationalität und Profitgier angetrieben, sondern von der Vision, ein neues Imperium zu erschaffen.
Natürlich macht es immer Sinn, miteinander zu sprechen. Bloss worüber? Und wann? Die Regierung Scholz’ hat immer noch nicht ihre neue China-Strategie vorgestellt. In bester «Basta»-Manier seines Vorgängers Gerhard Schröder drückt Olaf Scholz vielmehr seine eigene Agenda durch. Gerhard Schröder hat sich bei Putin vertan, das Gleiche droht jetzt mit Xi und China.
* Dr. Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in New York.