Freche Frisuren-Filter, turbulente Tanzvideos und politische Propaganda: Tiktok ist eine extrem populäre App. In der Schweiz sind es gemäss Hochrechnungen der Werbeagentur Kaltes Wasser über 3 Millionen Nutzer – knapp 1 Million davon sind Jugendliche unter 18 Jahren. Das erfolgreiche Videoportal gehört dem chinesischen Konzern Bytedance.
Zuletzt war Tiktok in verschiedene Kontroversen verwickelt. Und in den USA steht eine wichtige Entscheidung über die Zukunft unmittelbar bevor. Blick erklärt, warum das kurzweilige Video-Swipen gerade auch politisch hochrelevant ist. Und: Wieso ausgerechnet Donald Trump die Rettung für Tiktok sein könnte.
«Nur Dreck und Kot»
Albanien will den Zugang zu Tiktok in Kürze für mindestens ein Jahr vollständig sperren. Das kündigte Ministerpräsident Edi Rama (60) am Samstag an. «Da gibt es nur Dreck und Kot», so der Sozialdemokrat.
Hintergrund des albanischen Verbots ist eine Messerstecherei: Vor knapp einem Monat wurde ein 14-jähriger Schüler getötet, nachdem sich zwei Gruppen Jugendlicher auf Tiktok angefeindet und zu einer Schlägerei verabredet hatten.
«Demokratien müssen geschützt werden»
Im EU-Land Rumänien werden nach dem Sieg des prorussischen Kandidaten Calin Georgescu (62) bei der ersten Runde der Präsidentenwahl schwere Vorwürfe gegenüber Tiktok erhoben. Die Wahl wurde annulliert. Zu Georgescus Wahlkampf und Finanzierung ermittelt nun die Staatsanwaltschaft.
Auch die Europäische Kommission hat deswegen ein Verfahren eröffnet. Es gebe ernsthaften Hinweisen, dass sich ausländische Akteure – insbesondere Russland – mithilfe von Tiktok in Rumänien eingemischt haben, erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66).«Wann immer wir eine solche Einmischung vermuten, insbesondere bei Wahlen, müssen wir schnell und entschlossen handeln.»
«Noch eine Weile behalten»
In den USA sollte die Video-App eigentlich bis zum 19. Januar 2025 den Besitzer wechseln – ein Tag vor der Amtseinführung von Donald Trump (78). Der Zwangsverkauf wurde im April beschlossen, auch wegen möglicher Einflussnahme aus Peking.
Bytedance will beim Obersten Gericht jedoch einen Aufschub erreichen. Das Gericht setzte eine entscheidende Anhörung für den 10. Januar an.
Am Wochenende zeigte sich Trump skeptisch gegenüber einem Tiktok-Aus. «Vielleicht sollten wir dieses Ding noch eine Weile behalten», sagte der Republikaner – im Wahlkampf seien seine Videos milliardenfach angeschaut worden. Zwar kann Trump das Gesetz nicht einfach aufheben, jedoch wäre sein Justizminister für die Umsetzung zuständig.
Australien und Spanien für klare Altersgrenzen
Gerade spitzt sich also die Frage zu, wie demokratische Staaten mit der einflussreichen App aus dem Einparteien-China umgehen sollen. Und manche ergreifen nun konkrete Schritte gegen politische Einmischung, Spionage und Überwachung.
Zwar hat Bytedance beim Datenschutz zuletzt Besserung gelobt. Daten amerikanischer Nutzer sollen künftig in den Texas, diejenigen der Europäer in Irland gespeichert werden. Dennoch könnte eine Abspaltung der App im Westen das Vertrauen erhöhen.
Daneben gefährdet die erfolgreiche App auch Menschen ganz direkt: Es besteht Suchtgefahr, Depressionen werden verstärkt oder manipulierte Inhalte verbreitet.
Hier sind erwachsene Nutzer gefordert, ihren eigenen Konsum kritisch zu hinterfragen. Anders ist das bei Jugendlichen: Australien und Spanien wollen unter 16-Jährigen den Zugang zu Social Media bald ganz verwehren.
Angststörungen und Depressionen
Drastische Änderungen sind also denkbar. Im SRF-Interview sprach sich auch der Schweizer Philosoph Rolf Dobelli (58) für ein Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige aus. Ähnliches fordert der amerikanische Psychologe Jonathan Haidt (61): Das Aufwachsen mit Smartphones habe zu einer starken Zunahme von Angststörungen, Depressionen und Selbstverletzungen geführt. Deshalb sollte der Zugang zu Smartphones und sozialen Medien nicht zu früh erfolgen.
Fazit: Insofern über Tiktok tatsächlich Diktaturen in die Meinungsbildung von demokratischen Staaten eingreifen, müssen sich diese wehren. Letztlich bleibt für erwachsene Nutzer und Eltern aber viel Eigenverantwortung übrig – denn Suchtpotenzial und problematische Inhalte haben auch andere Anbieter.