Auf einen Blick
- Gen Z beeinflusst Parfümmarkt stark, Influencer spielen wichtige Rolle
- Junge Männer bevorzugen süsse Düfte, Geschlechternormen verschwimmen
- Jeremy Fragrance hat 25 Millionen YouTube-Abonnenten und 10 Millionen Tiktok-Follower
Jetzt im Winter fällt es besonders auf: Im vollbesetzten Tram oder überfüllten Zugabteil mischen sich am frostigen Morgen die intensiven Düfte der Passagiere zu einem olfaktorischen Cocktail. Besonders auffällig: Junge Menschen duften stark, nach Amber, Vanille oder Moschus.
Die junge Kundschaft habe einen deutlichen Einfluss auf den Umsatz seiner Parfümerie, sagt Werner Abt (65). «Seit etwa zwei Jahren ist das deutlich spürbar». Das liege auf jeden Fall an der Sichtbarmachung im virtuellen Raum, konkret an den Menschen, die auf Social Media von Parfüms schwärmen.
Werner Abt ist Gründer und Geschäftsführer der Parfümerie Spitzenhaus in Zürich, die er seit 2015 betreibt. Der Grossteil seiner jungen Kundschaft sei zwischen 17 und 26 Jahre alt, doch es seien auch schon zwei 11-jährige Freunde ins Geschäft gekommen. Auch die ehemalige Chefin einer grossen Parfümerie-Kette erzählt, dass schon ganz Junge Parfüms kaufen würden. Inspiriert durch Influencer, die diese Düfte auf Tiktok bewerben.
Parfüms als «Lieblingshobby»
Die Zürcherin Sara sah auf Tiktok ein Video einer Influencerin, die sagte, sie habe noch nie so viele Komplimente für ein Parfüm bekommen wie für das Parfüm «Milk» von Ded Cool. Sara entschied sich zum Kauf des Duftes – ohne ihn je gerochen zu haben. Fazit: «Es duftet wirklich sehr gut.». Sie wisse aber nicht, ob sie nochmals ein Parfüm kaufen würde, ohne es vorher gerochen zu haben.
Die Nischenparfüms im Spitzenhaus, die bei der Gen Z, also den zwischen 1995 und 2010 Geborenen, derzeit im Trend liegen, haben ihren Preis: «Zaya» von Parfüms d'Elmar oder «Red Ishq» von Anfas kosten zwischen 200 und 400 Franken. Die Kundschaft könne sich das leisten, denn «oft sind junge Menschen noch ungebunden und nicht verantwortlich für eine Familie und können für ihr Hobby mehr ausgeben. Sich raffiniert zu parfümieren gehört zum Styling und ist quasi zum Lieblingshobby vieler avanciert», sagt Abt.
Das Phänomen von Parfüm-Influencern auf den sozialen Medien ist nicht ganz neu, erlebt derzeit aber einen Hype. Einer der bekanntesten Grössen unter den Influencern: Jeremy Fragrance (35). Im Jahr 2014 begann der deutsche Unternehmer als einer der Ersten, Parfüm-Empfehlungen auf Youtube zu veröffentlichen, mittlerweile zählt er fast 25 Millionen Abonnenten auf Youtube, 3,5 Millionen Follower auf Instagram und 10 Millionen auf Tiktok.
Beratung vor Ort wird zweitrangig
Aus Sicht von Werner Abt sind seine Videos «nicht gerade das, was ich mir unter guter Werbung vorstelle, denn sie sind eher reisserisch und provokativ». Sehr gepflegt und inhaltsreich sind für Abt die Posts des deutschen Influencers Marc Gebauer (36). «Er bewirkt, dass Zehntausende junge Männer ausströmen und beispielsweise ‹Blonde Amber› von Christian Clive riechen wollen – ein Duft, den Gebauer empfohlen hat», erzählt Abt.
Was Abt bedauert: «Die Jungen greifen bei uns im Laden lieber zum Handy und schauen, was der Blogger oder Influencer des Vertrauens über das jeweilige Parfüm sagt». Die Beratung durch ausgebildete Fachleute vor Ort werde für die Gen Z zweitrangig.
Eine Entwicklung, die Abt hingegen freut, ist, dass es für die junge Kundschaft nicht mehr ein starres Konzept von «männlichen» und «weiblichen» Düften gebe: «Junge Männer wollen nicht mehr dem klassisch männlich-herben Duftschema zugeordnet werden, sondern wählen das, was ihnen gerade Freude bereitet.» Das könne dann schon mal ein pudriger Vanilleduft sein, den man früher nur an Frauen verkauft hätte. Auch beim oben erwähnten Parfüm «Milk» steht explizit: «Für Frauen und Männer». Für Werner Abt ist klar: Junge Männer würden heute machen, was ihnen gefalle, sich etwa auch mal die Fingernägel lackieren. «Das ist eine Befreiung eines Geschlechts, ich finde das super.»